Provetá. Ein Vogel schwimmt 8000 Kilometer, um seinen Lebensretter zu besuchen.

Die Geschichte klingt unglaublich. Seit fünf Jahren schwimmt ein Pinguin jedes Jahr Tausende Kilometer durch den Atlantik nach Brasilien, um einen Mann zu besuchen, der ihm einst das Leben rettete. Medien auf allen Kontinenten berichten immer wieder begeistert über den angeblich treuesten Pinguin der Welt. Kann das stimmen – oder ist die Erzählung nichts weiter als ein moderner Mythos?

Die Treue des Pinguins verblüfft selbst erfahrene Vogelexperten. Sie gehen davon aus, dass das Tier aus Patagonien stammt, 4000 Kilometer südlich der brasilianischen Insel Ilha Grande, auf die es stets zurückkehrt. So ein Verhalten sei ungewöhnlich, aber möglich, sagt der Pinguinforscher Klemens Pütz. „Die Ilha Grande liegt an der Route der Magellan-Pinguine, nach dem Brüten in Patagonien schwimmen Pinguine im Winter oft Tausende Kilometer hoch in den wärmeren Norden bis nach Brasilien.“ Nach Monaten auf See fänden sie ihre Bruthöhle wieder, hätten also ein gutes Gedächtnis. Es komme immer mal vor, dass sich Pinguine in Retter oder Pfleger verliebten, auch in Zoos.

Mit „Verliebtheit“ müsse das nichts zu tun haben, widerspricht der Umweltschützer, Förster und Bestsellerautor Peter Wohlleben („Das Seelenleben der Tiere“). „Tiere können dankbar sein und Zuneigung über Artgrenzen hinweg empfinden. In solchen Fällen wird ihnen oft eine hormonelle Fehlsteuerung unterstellt, aber darum geht es gar nicht.“

Auch Wohlleben hält die Geschichte für glaubwürdig. Vögel seien so intelligent wie Affen. Dass sich ein Pinguin das Gesicht und das Haus seines Lebensretters merken kann, überrascht Wohlleben nicht.

Der angebliche Freund des Pinguins heißt João Pereira de Souza und ist 73 Jahre alt. Er wohnt in einem Dorf namens Provetá. Wer ihn besucht, bekommt tatsächlich einen Eindruck von der Verbindung zwischen ihm und dem Pinguin. Provetá ist ein entlegenes Nest ohne Telefonverbindung, im kleinen Hafen rosten alte Kutter vor sich hin. Man kann de Souza dabei beobachten, wie er mit dem Pinguin am Strand spazieren geht, ihn zärtlich tätschelt und seine Stirn an dessen Kopf reibt.

Als der pensionierte Maurer den Pinguin 2011 fand, sah es nicht gut aus für das Tier. Es lag erschöpft am Strand, das Gefieder voller Öl, ein Bein gebrochen, dem Tod geweiht. Was dem Pinguin zugestoßen war, wusste de Souza nicht, er hatte einfach Mitleid. Also nahm er ihn auf den Arm, trug ihn die 50 Meter bis zu seinem Häuschen und päppelte den Pinguin wieder auf. Seither kehre der Vogel jeden südamerikanischen Winter zu de Souza zurück: „Ich liebe ihn wie meine drei Kinder.“

Der Brasilianer will dem Tier nun einen GPS-Sender anlegen, um die Schwimmwege nachzuvollziehen. Vielleicht können wissenschaftliche Daten endlich die letzten Zweifel an dieser unglaublichen Geschichte beseitigen.