Hannover. Die Luftangriffe während des Zweiten Weltkriegs haben den Städten ein gefährliches Erbe hinterlassen - Bomben, die nach wie vor explodieren können.

Es war eine der größten Bombenentschärfungen in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg: Am vergangenen Dienstag mussten in Hannover 31 000 Menschen ihre Wohnungen verlassen, während der Kampfmittelräumdienst eine 250-Kilo-Bombe unschädlich machte. Viele Jahre hatte der Blindgänger unentdeckt unter dem zuletzt von Gymnasiasten und der Volkshochschule genutzten Gelände in der Südstadt gelegen.

Auch 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs geht von Bombenblindgängern in vielen Städten nach wie vor eine große Gefahr aus. Wie viele nicht explodierte Bomben noch im niedersächsischen Untergrund stecken, weiß keiner. Eine belastbare Schätzung sei nicht möglich, heißt es aus dem Innenministerium. So sei weder bekannt, wie viele Bomben über Niedersachsen abgeworfen wurden, noch kenne man die Zahl der Blindgänger, die schon während des Kriegs entschärft wurden - oder unmittelbar danach von den Besatzungsmächten. Selbst eine Auswertung der 150 000 vorliegenden Luftbilder der alliierten Luftangriffe mache eine Zählung oder Schätzung nicht möglich.

Um den Blindgängern auf die Spur zu kommen, werten die Städte Osnabrück und Georgsmarienhütte inzwischen auch Angaben von noch lebenden Zeitzeugen aus, die sich an Bombenabwürfe erinnern. „Solche aktiven Präventivmaßnahmen sind aus anderen Städten nicht bekannt“, heißt es dazu aus dem Innenministerium.

Schwerpunkte der alliierten Bombenabwürfe waren die wichtigen Industriezentren Osnabrück, Hannover, Braunschweig, Peine, Salzgitter, Wolfsburg und die Hafenstädte Emden und Wilhelmshaven. Auch die Bahnstrecken wurden bombardiert, ebenso die zahlreichen Flughäfen. Auch der Küstenbereich gilt als stark belastet.

Für 2014 hatte Niedersachsen 7,48 Millionen Euro für die Kampfmittelbeseitigung in den Haushalt eingestellt. Für den Kampfmittelbeseitigungsdienst arbeiten 45 Mitarbeiter, davon sieben Sprengmeister.

Im vergangenen Jahr wurden 89 Bombenblindgänger mit mindestens 50 Kilogramm bei der Luftbildauswertung für Bauanträge lokalisiert. Durchschnittlich werden fast 65 Tonnen Kampfmittel im Jahr geborgen, bei rund 1100 Einsätzen im Jahr. Oft werden Blindgänger bei großen Bauvorhaben entdeckt. In jüngster Zeit werden bei der Verlegung von Kabeltrassen für Offshore-Windanlagen auch Kampfmittel gefunden. Von 1960 bis heute sind rund 10 500 Bomben geborgen worden.

Seit 2011 hat das Land die Kosten etwa für die Luftbildauswertung und Sondierungen auf die Kommunen abgewälzt - unter Protest der Städte und der kommunalen Spitzenverbände. Eine ursprünglich geplante Privatisierung des Kampfmittelbeseitigungsdienstes hat es aber nicht gegeben. Nach dem Wechsel der Landesregierung im Jahr 2013 hätten die Verbände erneut das Land aufgefordert, die Kosten für die „Gefahrerforschungsmaßnahmen“ wieder zu übernehmen. „Die Landesregierung hat aber ziemlich früh gesagt, es bleibt alles so wie es ist“, sagte Stefan Wittkop vom Niedersächsischen Städtetag. dpa