Stuttgart. Der Vater des Amokschützen Tim K. hat zu Beginn des zweiten Winnenden-Prozesses vor dem Landgericht Stuttgart erneut geschwiegen.

Die Anklage laute auf Verstoß gegen das Waffengesetz, doch auch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung komme in Betracht, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Polachowski am Mittwoch. Der 53 Jahre alte Sportschütze hatte seine Waffe unverschlossen im Schlafzimmer aufbewahrt, mit der sein Sohn am 11. März 2009 in Winnenden und Wendlingen 15 Menschen und sich selbst erschoss.

Im Februar 2011 hatte die 18. Strafkammer des Gerichts den Unternehmer unter anderem wegen fahrlässiger Tötung in 15 Fällen zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Weil er die Waffe nicht ordnungsgemäß weggeschlossen habe, sei die Tat erst möglich geworden, hieß es damals. Doch der Bundesgerichtshof kassierte das Urteil wegen eines Verfahrensfehlers. Grund: Die Verteidigung habe keine Gelegenheit gehabt, eine wichtige Zeugin zu befragen.

Der Vorsitzende Richter betonte, dass das Urteil gegen den Angeklagten im zweiten Verfahren nicht höher ausfallen dürfe als im ersten, weil nur die Verteidigung Revision beantragt hat. «Ein Jahr und neun Monate ist sozusagen das Maximum», sagte Polachowski.

Entscheidend seien nun etwa die Fragen, ob Tim K. den Code für den Waffentresor kannte und ob der Angeklagte die Tat seines Sohnes vorhersehen konnte. Nach der BGH-Entscheidung neige die Kammer momentan dazu, Untersuchungsergebnisse einer psychiatrischen Klinik über Tim K. zu verwerten. Ausgespart werden im neuen Verfahren allerdings die Details der Tat. Sie gelten als unzweifelhaft.

Der Angeklagte verfolgte den Prozess mit starrer Miene. Er ließ seine Verteidiger Erklärungen verlesen, in denen sie sich gegen eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung aussprachen. «Es ist nicht ausgeschlossen, dass Tim K. ohne Wissen des Angeklagten Zugang zum Waffentresor hatte», sagte Strafverteidiger Hubert Gorka. Zudem zeige der Abschlussbericht der Psychiatrie, dass selbst Fachärzte keine Gefahr sahen, dass Tim K. sich selbst oder andere gefährden könnte.

Die Staatsanwaltschaft warf der Verteidigung vor, aus dem ersten Verfahren nichts gelernt zu haben. Jens Rabe, Anwalt mehrerer Nebenkläger, sprach angesichts der Verteidigungsstrategie von «Schnee von gestern.»

Etwa 15 Angehörige der Opfer verfolgten als Nebenkläger den Prozessauftakt und reagierten zum Teil empört auf die Argumente der Verteidiger. Was viele von ihnen bewegte, fasste Tatjana Hahn in Worte: «Wir wollten Antworten auf unsere Fragen bekommen», sagte die Schwester einer getöteten Schülerin. Für den Prozess sind 15 Verhandlungstage angesetzt. (dpa)

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