Braunschweig. Wir fragen Menschen, die die „No Poo“-Technik ausprobiert haben. Und: Ein Dermatologe erklärt, was wirklich dran ist an dem Trend.

Will man die Haare ohne Shampoo waschen, stößt man Online auf tausend Tipps und Tricks. Aber was macht Haarewaschen mit Bier, Mehl oder nur mit Wasser mit den Haaren?

Spoiler – lässt man das Shampoo ganz weg, werden die Haare in den meisten Fällen erst einmal extrem fettig. Aber was passiert danach mit der Mähne? Astrid Lätsch hat sich getraut. Die 42-Jährige hat das Shampoo aus der Dusche verbannt und ihr Haar mit reinem Wasser gewaschen. Wie sie sich damit gefühlt und wie sich ihr Haar verändert hat, erzählt sie im Gespräch mit unserer Zeitung.

Haarewaschen ohne Shampoo ist keine schlechte Idee, glaubt man Dermatologe Dr. Uwe Schwichtenberg. Er sagt, der Körper braucht grundsätzlich keine Zusatzstoffe. Woran man gesundes Haar erkennt, verrät er im Interview.

Die „No Poo“-Methode im Test

Astrid, wieso hast du dich dazu entschieden beim Haarewaschen auf Shampoo zu verzichten?

Mit ist es wichtig nachhaltig zu leben und nachdem ich wusste, dass in sehr vielen Shampoos neben all der Chemie auch Mikroplastik enthalten ist, hatte ich vollends das Vertrauen in die Kosmetikindustrie verloren. Also musste eine Alternative her - ohne Shampoo! Meine Lösung war dann erst mal gar kein Shampoo zu benutzen. Denn so wirklich viele Alternativen gab es seinerzeit noch nicht. Wie sich herausstellte gibt es wirklich viele Menschen, die es ebenso sehen wie und so wurde ich dann aufmerksam auf den „No-Poo“-Trend.

Astrid Lätsch erzählt uns, wie für sie der No-Poo-Trend funktioniert hat.
Astrid Lätsch erzählt uns, wie für sie der No-Poo-Trend funktioniert hat. © Astrid Lätsch Coaching | Privat

Wie war es am Anfang? Hat es dich Überwindung gekostet das durchzuziehen?

Sich ohne Shampoo die Haare zu waschen, bedeutet keineswegs sich gar nicht zu waschen, sondern einfach nur die Chemie auf dem Kopf wegzulassen. Das führt natürlich erstmal dazu, dass die Haare und die Kopfhaut sich umstellen müssen und die Kopfhaut erst mal „nachfettet“. Das klingt zwar komisch, ist aber innerhalb weniger Tage überwunden.

Hast du seitdem eine Veränderung deiner Haare oder deiner Kopfhaut bemerkt?

Meine Haare waren dadurch kräftiger und sind wesentlich schöner gefallen als vorher. Für den guten Geruch nutzte ich natürliche ätherische Öle. Einfach ein paar Tropfen in den Händen verreiben und dann über die Haare streichen. Duftet wunderbar!

Wie wäschst und pflegst du deine Haare jetzt und warum bist du davon überzeugt?

Mir war es damals wichtig ein Zeichen zu setzen und ich fragte mich, wie es vorher ohne Chemie gemacht wurde. Da gibt es im Internet ganz viele Rezepte, die man nutzen kann, um trotzdem gepflegte Haare zu haben. Ich fand die Zeit wunderbar. Mittlerweile bin ich auf festes Shampoo ohne Zusätze umgestiegen und komme damit sehr gut zurecht.

Das sagt der Haar-Experte

Dr. Uwe Schwichtenberg ist Vorstandsmitglied des Berufsverbandes Deutscher Dermatologen.
Dr. Uwe Schwichtenberg ist Vorstandsmitglied des Berufsverbandes Deutscher Dermatologen. © Privat

Dr. Schwichtenberg, was halten Sie vom No-Poo-Trend?

Wenn Sie sich durchlesen, was Shampoos alles können sollen, dann wird einem fast schwindelig. Da ist viel Werbedeutsch dabei. Viel Weißer Riese, der weißer wäscht als alle anderen. Der Körper braucht grundsätzlich keine Zusatzstoffe für etwas, was er vorher 25.000 Jahre wunderbar allein geschafft hat. Das heißt also, wenn ich keine besonderen ästhetischen Ansprüche stelle und nicht zur sehr starken Talgdrüsen-Überaktivität neige, wird das Waschen ohne Shampoo für mich funktionieren.

Wie lange dauert es nach dem Absetzen des Shampoos, bis sich eine Talg-Überproduktion selbst reguliert?

Das kommt darauf an. Bei vielen Menschen ist dieses Tal gar nicht tief, gar nicht so lang und gar nicht so schlimm. Wäscht man die Haare weiterhin mit klarem Wasser, ist es ja nicht so, dass sie gar nichts machen. Aus der Hinsicht muss also kein großes Problem entstehen. Und wenn Ihr Körper ein bisschen mehr im Bereich der Talg-Überproduktion ist, dann müssen sich Kopfhaut und Haare zuerst einmal an die neuen Bedingungen anpassen. Das mag ein wenig dauern. Aber nageln Sie mich nicht fest, wie lange genau.

Bewegt es sich im Bereich mehrerer Tage oder eher Monate?

Wochen werden es aus meiner Sicht schon sein. Die Talgdrüsenaktivität wird sich jetzt nicht innerhalb von zwei, drei, vier Tagen sofort umstellen. Das ist ja ohnehin der zeitliche Abstand für viele Menschen, in dem sie ihre Haare waschen. Daher setzt der Kompensationseffekt erst etwas später ein.

Es gibt diverse Trends neben dem No-Poo-Trend. Haare reinigen mit Mehl oder Bier zum Beispiel.

Mehl habe ich schon häufiger gehört und kann es mir nicht besonders gut vorstellen. Praktische Erfahrungen fehlen mir aber. Ich vermute, dass man mit dem Mehl das Fett ein wenig binden und es danach rauskämmen könnte.

Wie sieht es mit Bier als Waschmittel aus?

Bier ist ja uralt. Biershampoos gab es bereits in den 70ern, wahrscheinlich auch schon vorher – keine neue Geschichte. Da stellt sich natürlich immer die Frage, in welcher Hinsicht ist das jetzt besser?

… als Wasser?

Ja! Oder besser, als ein normales Shampoo zu nutzen. Es wird bestimmt nicht kostengünstiger, es sei denn, man trinkt das Bier sowieso gerade täglich. Dann kann man ein bisschen was abzweigen… (lacht) Ich sehe beim Bier, so wie bei vielen dieser naturheilkundlichen Ansätze, nicht den großen Benefit darin, ein für einen anderen Zweck hergestelltes Naturprodukt zu verwenden, um es in die Haare einzuarbeiten. Wem tue ich denn etwas Gutes damit? Ist Bier in der Produktion ökologisch nachhaltiger als Shampoo? Meines Wissens wird enorm viel Wasser gebraucht in der Produktion von Bier, was wiederum dem Nachhaltigkeitsgedanken widerspricht.

Wie kann sich denn Bier auf die Haare auswirken?

Der Hintergedanke beim Bier ist die Hefe. Warum die von außen einen positiven Effekt haben soll, ist mir aber schleierhaft. Sie finden Bierhefe in Nahrungsergänzungsprodukten, die gegeben werden bei diffusem Haarausfall. Es hat durchaus einen positiven Effekt, aber nicht von außen.

Woran erkennt man, ob das eigene Haar gesund ist?

Aus Sicht eines Dermatologen gibt es kein gesundes oder krankes Haar. Was gesund oder krank sein kann, ist die Haarwurzel. Sind die Haare gewachsen, hat man keinen Einfluss mehr auf die Substanz, sondern nur noch auf die Oberfläche. Wenn Menschen also regelmäßig Conditioner oder Shampoo verwenden, bearbeiten sie damit die Oberfläche. In diesem Fall werden die Kutikula-Schüppchen der Haaroberfläche geglättet, um einen Glanz zu erzeugen. Wenn diese Schüppchen hingegen abstehen, dann wirkt das Haar struppig und ist weniger gut kämmbar. Aber mit dem Shampoo haben Sie keinen Einfluss auf die Gesundheit der Haarwurzel. Versprechungen, die Haare gesünder zu machen, kann also kein Shampoo dieser Welt halten.

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Haarewaschen mit Bier?

Für die meisten Männer ist Haarewaschen eher Pflicht als Kür. Wie ging gleich der alte Witz? Shampoo für Männer ist Fünf-in-Eins: Haare, Körper, Gesicht, Bart – und Motorwäsche ginge auch noch. Dementsprechend kaufen Männer mehr ein „Haarwaschmittel“ als ein Pflegeprodukt. Die Inhaltsstoffe sind sowohl unbekannt als auch uninteressant. Riechen darf es höchstens noch nach Männlichkeit: Erde, Tannennadeln, Whisky oder Gin.

Warum also nicht gleich Bier? Ein Begleiter vermeintlich echter Männer und mit dem Nimbus eines Naturprodukts. Dem Reinheitsgebot sei Dank. Hopfen ist eine Pflanze und Pflanzen sind gesund. B-Vitamine und Spurenelemente im Bier sollen den Skalp pflegen, trockene Haut beseitigen und Wunder wirken gegen Schuppen. Ein Freund von mir – er möchte anonym bleiben – schwört seit Jahren darauf. Als ihm die bekannten Anti-Schuppen-Shampoos nicht mehr helfen konnten, griff er zur Lieblingssorte Schwarzbier.

Denn der nächste Schritt wäre wohl der Besuch beim Hautarzt gewesen: maximal unmännlich. Bis heute schwört er, die Hopfenkaltschale habe seine Schuppen beseitigt. Für diesen Beitrag habe ich ihn angerufen und gefragt, ob es auch Nachteile gab. Seine Antwort war ein ausdrückliches: „Ja. Danach kann man es nicht mehr trinken!“ Gesprochen wie ein echter Kerl. Prost.