Ehmen. Das Hohnstedter Holz lohnt sich für Familienausflüge wie auch für Kurzabstecher – unterwegs an der Mühlenriede und auf alten Bahntrassen.

Noch 299 Kilometer bis zur Nordsee. Jörg Hoffmann bleibt vor dem Wegweiser stehen, grinst und zeigt in den hartnäckig bewölkten Himmel: „Oder 150 Millionen Kilometer bis zur Sonne.“ Wofür aber in die Ferne schweifen, wenn die Erholung gleich „vor der Haustür“, für die Wolfsburger quasi im Vorgarten, liegt? „Das Hohnstedter Holz eignet sich vor allem für Familienausflüge – oder für kurze Abstecher, um den Kopf freizukriegen. Die Wege sind befestigt, und es gibt genügend Rastmöglichkeiten für ein Picknick“, sagt Hoffmann.

Dass sich der Ausflug lohnt, veranschaulicht der 65-Jährige normalerweise auf geführten Radtouren im Namen des BUND Wolfsburg und des Heimat- und Verkehrsvereins Fallersleben. An diesem Tag treten wir nur zu zweit vor die – es ist die erste Station dieser etwa zehn Kilometer langen Radtour. Hier, im sogenannten Riedetal, können Lehrer und Kinder der umliegenden Schulen direkt an der renaturierten Mühlenriede Unterricht machen und nach Libellen, Weidenmeisen oder Grasfröschen Ausschau halten. Im Frühjahr werden sie auch zwischen den Buchen und Eichen des Hohnstedter Holzes finden, weiß Hoffmann.

So könnte eine Tour durch das Hohnstedter Holz bei Ehmen und Mörse aussehen.
So könnte eine Tour durch das Hohnstedter Holz bei Ehmen und Mörse aussehen. © Jürgen Runo

Fahrradfahren, wo einst die Gleise der Braunschweigischen Landeseisenbahn lagen

Schon wenige Meter weiter steht die nächste Unterrichtsstunde an, diesmal in Geschichte – denn wir biegen auf die . „Die Gleise lagen damals einige Meter höher. An dem übriggebliebenen Brückenpfeiler sieht man das sehr gut“, sagt der Experte. Die Teilstrecke zwischen Braunschweig und Fallersleben hatte Anfang des 20. Jahrhunderts zunächst wegen des Kalibergbaus in Ehmen große Bedeutung. 1926 schloss das Kalibergwerk, 1949 endete der Güterverkehr, 1958 wurden die Gleise bei Ehmen abgebaut. Heute dient die ehemalige Trasse als Staudamm. Die gravierte Tischplatte einer Sitzgruppe erinnert an die Bahngeschichte vor Ort: Eingemeißelt ist eine Dampflok der Braunschweigischen Landeseisenbahn mit dem Namen „Ehmen“.

Unterwegs im Hohnstedter Holz

Jörg Hoffmann aus Fallersleben ist Mitglied im Heimat- und Verkehrsverein Fallersleben und dem BUND Wolfsburg.
Jörg Hoffmann aus Fallersleben ist Mitglied im Heimat- und Verkehrsverein Fallersleben und dem BUND Wolfsburg. © Joshua Müller
Jörg Hoffmann steht vor der Wegweiser-Bohle im Grünen Klassenzimmer an der Mühlenriede. Sein Name taucht ebenfalls auf der Spenderliste auf.
Jörg Hoffmann steht vor der Wegweiser-Bohle im Grünen Klassenzimmer an der Mühlenriede. Sein Name taucht ebenfalls auf der Spenderliste auf. © Joshua Müller
Heimat- und Naturexperte Jörg Hoffmann steht an der gravierten Tischplatte auf dem heutigen Staudamm. Große Teile dieser Tour fuhren früher auch die Lokomotiven der Braunschweiger Landeseisenbahn.
Heimat- und Naturexperte Jörg Hoffmann steht an der gravierten Tischplatte auf dem heutigen Staudamm. Große Teile dieser Tour fuhren früher auch die Lokomotiven der Braunschweiger Landeseisenbahn. © Joshua Müller
Experte Jörg Hoffmann radelt über den Staudamm. Die Ex-Bahntrasse führt kerzengerade ins Hohnstedter Holz.
Experte Jörg Hoffmann radelt über den Staudamm. Die Ex-Bahntrasse führt kerzengerade ins Hohnstedter Holz. © Joshua Müller
Tourenguide Jörg Hoffmann weist den Weg: Die ehemalige Trasse führt lange Zeit schnurgerade durch das Holz.
Tourenguide Jörg Hoffmann weist den Weg: Die ehemalige Trasse führt lange Zeit schnurgerade durch das Holz. © Joshua Müller
Heute ist die alte Trasse der Braunschweigischen Landeseisenbahn ein Staudamm.
Heute ist die alte Trasse der Braunschweigischen Landeseisenbahn ein Staudamm. © Joshua Müller
Die ehemalige Bahntrasse führt schnurgerade durchs Hohnstedter Holz, die Wege sind gut ausgebaut und leicht zu fahren.
Die ehemalige Bahntrasse führt schnurgerade durchs Hohnstedter Holz, die Wege sind gut ausgebaut und leicht zu fahren. © Joshua Müller
Radfahrer und Wanderer finden im Frühjahr an manchen Stellen im Hohnstedter Holz Waldmeisterstängel. Unsere Suche bleibt an diesem Tag bis auf ein Buschwindröschen erfolglos.
Radfahrer und Wanderer finden im Frühjahr an manchen Stellen im Hohnstedter Holz Waldmeisterstängel. Unsere Suche bleibt an diesem Tag bis auf ein Buschwindröschen erfolglos. © Joshua Müller
Die ehemalige Bahntrasse führt schnurgerade durchs Hohnstedter Holz, die Wege sind gut ausgebaut und leicht zu fahren.
Die ehemalige Bahntrasse führt schnurgerade durchs Hohnstedter Holz, die Wege sind gut ausgebaut und leicht zu fahren. © Joshua Müller
Die ehemalige Bahntrasse führt schnurgerade durchs Hohnstedter Holz, die Wege sind gut ausgebaut und leicht zu fahren.
Die ehemalige Bahntrasse führt schnurgerade durchs Hohnstedter Holz, die Wege sind gut ausgebaut und leicht zu fahren. © Joshua Müller
Experte Jörg Hoffmann stoppt mehrfach auf der Tour, läuft in den Wald: An einigen Stellen sind die Auswirkungen der Trockenheit und die Rodungen der Försterei deutlich zu sehen.
Experte Jörg Hoffmann stoppt mehrfach auf der Tour, läuft in den Wald: An einigen Stellen sind die Auswirkungen der Trockenheit und die Rodungen der Försterei deutlich zu sehen. © Joshua Müller
Experte Jörg Hoffmann stoppt mehrfach auf der Tour, läuft in den Wald: An einigen Stellen sind die Auswirkungen der Trockenheit und die Rodungen der Försterei deutlich zu sehen.
Experte Jörg Hoffmann stoppt mehrfach auf der Tour, läuft in den Wald: An einigen Stellen sind die Auswirkungen der Trockenheit und die Rodungen der Försterei deutlich zu sehen. © Joshua Müller
Experte Jörg Hoffmann und Volontär Joshua Müller radeln an der Wüstung Hohnstedt vorbei.
Experte Jörg Hoffmann und Volontär Joshua Müller radeln an der Wüstung Hohnstedt vorbei. © Joshua Müller
An Ort und Stelle informiert eine Infotafel über die wüstgefallene Siedlung Hohnstedt.
An Ort und Stelle informiert eine Infotafel über die wüstgefallene Siedlung Hohnstedt. © Joshua Müller
Jörg Hoffmann steht hinter dem Gedenkstein für die wüstgefallene Siedlung Hohnstedt.
Jörg Hoffmann steht hinter dem Gedenkstein für die wüstgefallene Siedlung Hohnstedt. © Joshua Müller
An der Wüstung Hohnstedt können Radfahrer und Wanderer eine überdachte Rast einlegen.
An der Wüstung Hohnstedt können Radfahrer und Wanderer eine überdachte Rast einlegen. © Joshua Müller
Das
Das "hölzerne Nashorn" ist Jörg Hoffmanns Lieblingsbaum auf der Tour. © Joshua Müller
Jörg Hoffmann steht auf einem Feld an der ehemaligen Bundesstraße 248.
Jörg Hoffmann steht auf einem Feld an der ehemaligen Bundesstraße 248. © Joshua Müller
Aus dem Hohnstedter Holz geht es einige Zeit lang über die ehemalige Bundesstraße 248.
Aus dem Hohnstedter Holz geht es einige Zeit lang über die ehemalige Bundesstraße 248. © Joshua Müller
Hier ist die Mühlenriede noch schnurgerade, auf Höhe Mörse ist der Bach vor einigen Jahren renaturiert worden und schlängelt sich durch den Erlenbruchwald.
Hier ist die Mühlenriede noch schnurgerade, auf Höhe Mörse ist der Bach vor einigen Jahren renaturiert worden und schlängelt sich durch den Erlenbruchwald. © Joshua Müller
Hier ist die Mühlenriede noch schnurgerade, auf Höhe Mörse ist der Bach vor einigen Jahren renaturiert worden und schlängelt sich durch den Erlenbruchwald.
Hier ist die Mühlenriede noch schnurgerade, auf Höhe Mörse ist der Bach vor einigen Jahren renaturiert worden und schlängelt sich durch den Erlenbruchwald. © Joshua Müller
Am Wassererlebnisplatz liegen Findlinge in der Mühlenriede. Im Sommer spielen hier viele Kinder, sagt Hoffmann. Zudem werden Schnitz- und andere Kurse angeboten.
Am Wassererlebnisplatz liegen Findlinge in der Mühlenriede. Im Sommer spielen hier viele Kinder, sagt Hoffmann. Zudem werden Schnitz- und andere Kurse angeboten. © Joshua Müller
Am Wassererlebnisplatz liegen Findlinge in der Mühlenriede. Im Sommer spielen hier viele Kinder, sagt Hoffmann. Zudem werden Schnitz- und andere Kurse angeboten.
Am Wassererlebnisplatz liegen Findlinge in der Mühlenriede. Im Sommer spielen hier viele Kinder, sagt Hoffmann. Zudem werden Schnitz- und andere Kurse angeboten. © Joshua Müller
Der ehemalige Bahnhof in Ehmen.
Der ehemalige Bahnhof in Ehmen. © Joshua Müller
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Wie eine Dampflok lässt es sich nun auch mit dem Fahrrad weiterfahren: Die Wege sind schnurgerade und frei von Schlaglöchern, Radfahrer können Tempo machen oder aber angstfrei ihren Blick ins Holz schweifen lassen. Vielleicht erkennen sie dann auch das „hölzerne Nashorn“, den Lieblingsbaum des Fallersleber Experten wegen des markanten Auswuchses. Deutlich weniger gern sieht Hoffmann die vielen Lücken im Wald – er bremst bei dieser Tour mehrmals quietschend ab, weist ins Gehölz: „Hier sieht man die Auswirkungen des Klimawandels und der Trockenheit ganz deutlich.“ Die Revierförsterei musste in den vergangenen Jahren mehr und mehr vertrocknete Buchen und vom Borkenkäfer befallene Fichten fällen. „Wir brauchen unbedingt mehr Regen.“

Wüst gefallene Siedlung Hohnstedt ist Namensgeber des Waldes

Eine Lichtung, an der wir auf dieser Radtour vorbeifahren, ist allerdings kein Ergebnis des Waldsterbens: die Wüstung Hohnstedt – Part zwei der Geschichtsstunde und Namensgeber des Holzes. „Das Dorf ist im 16. Jahrhundert öd gefallen“, berichtet Hoffmann, den Gedenkstein umschreitend. Auf einer Infotafel am Wegesrand sind die etwa ein Dutzend Gehöfte samt Kirche und Wartturm eingezeichnet. Die damaligen Bewohner zogen – vermutlich wegen Kriegsschäden – in die heutigen Stadtteile Ehmen, Mörse oder Hattorf.

Die Fakten zur Radtour.
Die Fakten zur Radtour. © Jürgen Runo

In ebendiese Richtung geht auch unsere Fahrradtour weiter: vorbei an der Schutzhütte gegenüber der Wüstung, die ehemalige Bundesstraße 248 bergab, entlang der zunächst geraden, später geschlängelten Mühlenriede. Jogger und Radfahrer grüßen sich, ziehen an den Kopfweiden vorbei. Am mit Findlingen im plätschernden Wasser lohnt sich ein letzter Halt: „Gerade für Kinder ist es sehr wichtig, die Natur und die Schönheiten der eigenen Umgebung wieder kennenzulernen – ohne großartig mit dem Auto wegfahren zu müssen. Im Hohnstedter Holz ist für jeden etwas dabei“, sagt Hoffmann. Ein Specht trommelt beipflichtend im Hintergrund, da blinzelt die Sonne doch noch zwischen den Wolken hervor.