Braunschweig. Digitalisierung der Schulen: Von der Suche nach schnellen Lösungen und langfristiger Umstellung profitiert ein Anbieter aus Braunschweig.

Geteilte Klassen, aufgehobene Präsenzpflicht und Unterricht auf Distanz - die coronabedingten Einschränkungen stellen alles auf den Kopf, was mal als Schulalltag galt. Vom Homeschooling im Lockdown, also auch dem digitalen Lernen per Videounterricht, profitiert das kleine Braunschweiger Unternehmen Iserv. Für die Schulplattform gab es zwar schon vor Corona regen Zulauf - die Möglichkeit zum Unterricht im digitalen Klassenraum lässt die Zugriffszahlen aber in ungeahnte Höhen schnellen.

Homeschooling: Erstmals über eine Million Nutzungsstunden

Beim Besuch in der Braunschweiger Firmenzentrale wird die Aufbruchsstimmung spürbar, obwohl auch dort die Pandemie viele Mitarbeiter ins Homeoffice zwingt. „Es werden derzeit jeden Tag fünf Prozent mehr“, sagt Geschäftsführer Jörg Ludwig beim Blick auf die Zugriffszahlen. Seine Botschaft an die Schulen, die sich in der Corona-Krise erneut umstellen müssen: „Wir haben die Lösung“.

Tatsächlich rennen ihm die Kunden seit Anfang des Jahres die digitale Bude ein. Erstmals über eine Million Nutzungsstunden registrierte Iserv nach eigenen Angaben am vergangenen Donnerstag. Über den Tag verteilt seien dies 2,55 Millionen Beitritte zu Videokonferenzen, die im Schnitt 20 bis 30 Minuten dauerten. Die Grafik, die Geschäftsführer Jörg Ludwig dazu vorlegt, zeigt vor allem, dass diese Daten die Werte aus dem ersten Lockdown im Frühjahr um ein Vielfaches übersteigen.

Iserv: „Kundenstamm verdoppelt“

Nach den Weihnachtsferien starteten laut Kultusministerium rund 94 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen in den Unterrichtsalltag mit Distanzunterricht. Wie lange der nun verschärfte Lockdown den Schulbetrieb einschränkt, ist derzeit völlig unklar. Für Iserv heißt das: „Kundenstamm verdoppelt“. Auf der Homepage weist das Unternehmen mehr als 4500 „zufriedene Schulen“ aus, Anfang letzten Jahres seien es noch 2300 Schulen gewesen. Neben Niedersachsen ist Iserv auch etwa in Schleswig-Holstein, Hamburg und Hessen aktiv, zuletzt sei die Hälfte der Käufer aus Nordrhein-Westfalen dazugekommen.

Viele Kunden sind dem Schulleitungsverband in Niedersachsen zufolge sehr zufrieden mit der Lösung. „Ich habe bisher nur positive Rückmeldungen“, sagt die Verbandsvorsitzende Andrea Kunkel. Dass ihre Grundschule in Langenhagen die Plattform rechtzeitig vor Corona im Februar 2020 angeschafft habe, wertet sie heute als „Glücksgriff“. Möglich sind die derzeit gefragten Videokonferenzen auch über die Niedersächsische Bildungscloud (NBC) und andere Anbieter. Die Stadt Hannover warb zuletzt beispielsweise für das eigene Angebot über die Plattform schulen-hannover.de.

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Vermasselter Schulstart „tierisch ärgerlich“

Die Verantwortlichen bei Iserv sehen sich aber weiter auf Expansionskurs. Im vergangenen Jahr stieg die Mitarbeiterzahl von 60 auf 110. „Jetzt planen wir weitere 50 Einstellungen und gehen sicher bald auf die 200 zu“, sagt Firmen-Chef Jörg Ludwig, der Iserv vor 20 Jahren als Angebot für Kommunikation, Organisation und Netzwerktechnik gründete. „Videokonferenzen haben wir früher gar nicht gemacht, jetzt war aber schnell klar, dass die Schulen das brauchen würden“, sagt er. Derzeit entstehe eine neue Zentrale in Braunschweig.

Als „tierisch ärgerlich“ bezeichnet der 38-jährige Informatiker den „etwas vermasselten Schulstart“. Weil die Technik nicht ganz rund lief, war die Videokonferenz zunächst nicht voll einsetzbar. Die Panne bremste den digitalen Unterricht aber nur an dem Montag aus. Die Pandemie habe die Digitalisierung der Schulen sehr beschleunigt. „Wir haben in der Entwicklung fünf Jahre übersprungen“, sagt Iserv-Gründer Ludwig. Sein Unternehmen dürfte davon noch einige Zeit profitieren.