Hannover. Parallel zu einer bundesweiten Polizeistudie plant Niedersachsen eine eigene Untersuchung zur Polizei. Es geht auch um „Racial Profiling“.

Nach dem Entscheid für eine bundesweite Studie zur Polizeiarbeit hält Niedersachsen an eigenen Untersuchungen fest. Dabei werde es insbesondere darum gehen, in den Alltag der Polizeibeamten hereinzugehen und ihre Arbeit zu begleiten, kündigte Innenminister Boris Pistorius (SPD) an. Das Konzept wurde bereits vor einigen Wochen unter Federführung von Wissenschaftlern der Polizeiakademie erarbeitet und wird im neuen Jahr weitergeführt. Sachsen-Anhalt hatte eine Beteiligung an der niedersächsischen Studie angekündigt, bei der es auch um die Frage gehen soll, wie zum Beispiel sogenanntes „Racial Profiling“ entstehen kann.

Nach der Aufdeckung rechtsextremer Chatgruppen von Polizisten in mehreren Bundesländern hatten die SPD-Innenminister gemeinsam mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) eine Studie bei der Polizei gefordert, die den Alltag der Polizeiarbeit untersucht. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hielt eine Untersuchung dieses Phänomens alleine bei Sicherheitsbehörden zunächst für falsch und entschied sich erst jüngst für eine Studie zur Polizeiarbeit insgesamt.

Nicht unter Generalverdacht stellen

„Es darf nicht darum gehen, die Polizei unter einen Generalverdacht zu stellen“, betonte auch Minister Pistorius. „Die allermeisten Polizistinnen und Polizisten stehen fest auf dem Boden der Verfassung und genießen zu Recht großes Vertrauen.“ In Niedersachsen habe es bisher nur Einzelfälle von extremistischem Verhalten gegeben. So gerieten Ende des Jahres mehrere Beamte der Osnabrücker Polizei unter Verdacht, rechtsextreme Inhalte über Messengerdienste geteilt zu haben, drei Beamte wurden vorläufig suspendiert.

Ziel sei nicht, mit dem Finger auf die Polizei zu zeigen, es gebe keinen strukturellen Rassismus in der Polizei, sagte Pistorius der dpa in Hannover. „Die Frage ist, ob die Strukturen in der Polizei Einfluss auf rassistische Sichtweisen haben und was man dagegen tun kann.“

Einstellung von Beamtinnen und Beamten

Gezeigt habe sich bereits, dass sich Einstellungen im Laufe einer Polizeikarriere änderten. In der Ausbildung und bei jungen Beamten stieße man nicht auf dieselben Ansichten wie bei dienstälteren. „Das baut sich eher im Laufe der Jahre auf“, meinte der Minister. Nötig sei etwa auch das Coaching von Beamten oder ein Wechsel des Einsatzbereichs, denn „wer jahrelang im gleichen Phänomenbereich, wie zum Beispiel der Drogenkriminalität in einer bestimmten Stadt ermittelt, entwickelt dadurch vielleicht eindimensionale Sichtweisen auf bestimmte Bevölkerungsteile“.

Im Ergebnis sei eine Organisationskultur nötig, die eine offene Fehlerkultur begünstigt und eine entsprechende Haltung. „Wenn in der Polizei jemand von Chatgruppen erfährt, in denen etwa menschenfeindliche und extremistische Bilder und Parolen gepostet werden, erwarte ich, dass er das auch meldet“, erläuterte der Minister. „Das hat nichts mit Denunziantentum und Petzen zu tun. Das dient vielmehr dem Schutz der eigenen Organisation Polizei und der Bewahrung des Vertrauens, das die Menschen in sie haben.“

Forderung der Gewerkschaft der Polizei

Mit dem Plan einer Studie zur Polizeiarbeit hatte Pistorius eine Forderung der GdP in Niedersachsen aufgegriffen. Der Koalitionspartner CDU hatte sich dazu kritisch positioniert. Eine Studie, die nur ein einzige Gruppe von Beamten betrachte und stigmatisiere, lehne er ab, hatte der CDU-Abgeordnete und Amtsvorgänger von Pistorius, Uwe Schünemann erklärt. Extremisten in den Reihen der Polizei müssten identifiziert und gegen sie schnell und hart durchgegriffen werden.

Grundsätzlich sei der Staat gut beraten, sehr genau hinzuschauen, wenn die Frage von Grenzüberschreitungen durch Polizisten im Raum steht, und zwar im Sinne des Rechtsstaates und der Polizei, betonte der Minister. Welche Bundesländer sich im Einzelnen an der Bundesstudie beteiligten, sei noch offen. Niedersachsen hat sich grundsätzlich bereit erklärt, parallel zur Durchführung einer eigenen Untersuchung auch an einer Bundesstudie zu beteiligen, dies aber abhängig gemacht vom genauen Forschungskonzept und -design, das den Ländern derzeit noch nicht vorliegt.