Ich war 19 Jahre alt, als mich ein pflegebedürftiger Mann fragte, ob ich ihm beim Sterben helfen könne. Eineinhalb Jahre hatte ich ihn zuvor schon begleitet und gepflegt. Am Anfang und am Ende unserer Gespräche sprach er immer die gleiche Frage aus: Helfen Sie mir, zu sterben?
Diese Hilfe konnte und wollte ich ihm nicht geben, doch die bittende Frage habe ich nie vergessen. So geht es wahrscheinlich vielen, der sich einmal mit derartigen Situationen konfrontiert sah. Solche Fragen betreffen aber nicht nur sterbenskranke Menschen, deren Angehörige oder diejenigen, die in Pflegeberufen arbeiten.
Wir brauchen in unserer Gesellschaft eine offene und ehrliche Diskussion darüber, wie wir mit dem Wunsch nach selbstbestimmten Sterben umgehen wollen. Als Christ glaube ich, dass Gott mir mein Leben geschenkt und zugleich in meine Verantwortung gelegt hat. Diese Verantwortung währt – wenn möglich – bis zum letzten Atemzug. So kann ich auch den Zeitpunkt und die Art, wie ich sterbe, mitgestalten.
Ich wünsche mir, dass ich in diesem Entscheidungsprozess, der nicht nur mich, sondern auch meine Freunde und Familie sowie meine Beziehung zu Gott betrifft, helfende Begleitung haben werde. Wir sollten Menschen ermöglichen, ohne Scheu oder Scham über ihren Wunsch zu sprechen, ihr Leben zu beenden. Sie sollten dann auf ein Beratungsnetzwerk zugreifen können, das nicht von kommerziellen Interessen geleitet und völlig unabhängig ist von allen Bestrebungen etwa zur Kostenminimierung im Gesundheitswesen.
Innerhalb der Beratung, in die auch Angehörige, Ärzte und Seelsorger eingebunden sind, eröffnet sich die Chance, den Betroffenen zu zeigen, dass ihr Leben einen Wert hat – selbst dann, wenn er von den Menschen mit Sterbewunsch nicht mehr gesehen wird. Eine entscheidende Hilfe im Prozess werden weiterhin alle Möglichkeiten der Palliativ- und Hospizarbeit bieten. Diese Art der individuellen Begleitung „in die kommende Welt“ ist eine der kostbarsten Errungenschaften unserer heutigen Sterbekultur.
Doch wenn sich ein Mensch am Ende entscheidet, seinen Todeszeitpunkt selbst zu wählen, müssen wir lernen, das zu respektieren. Und fortan die Hilfen geben, die er sich wünscht. Wir bleiben auch dann an seiner Seite, um ein würdevolles Sterben zu ermöglichen.