Nordholz. Dem Landarztmangel will Niedersachsen mit einem Modellprojekt entgegenwirken: In drei Landkreisen sind Zentren mit angestellten Medizinern geplant.

In den nächsten Jahren gehen in ländlichen Gebieten viele Hausärztinnen und Hausärzte in Rente - und eine Nachfolge für ihre Praxen ist oftmals nicht in Sicht. Maßnahmen wie spezielle Landarzt-Studienplätze oder Landarztquoten sollen dem Mangel entgegenwirken. Nun startet Niedersachsen das Modellprojekt „Regionale Versorgungszentren“ (RVZ). In den Zentren sollen angestellte Hausärzte praktizieren, Teilzeit ist möglich.

Angesiedelt werden darüber hinaus soziale, familiäre oder auch pflegerische Einrichtungen. In drei Landkreisen wird das Modell erprobt, darunter ist der Landkreis Cuxhaven. Am Montag überreicht Regionalministerin Birgit Honé (SPD) in Nordholz den ersten Förderbescheid an Landrat Kai-Uwe Bielefeld (parteilos).

Was ist unter einem Regionalen Versorgungszentrum zu verstehen?

Unter dem Motto „Alles unter einem Dach“ sollen mehrere Dienstleistungen und Angebote gebündelt werden. In erster Linie soll die medizinische Versorgung gewährleistet werden. „Medizin ist jünger und weiblicher geworden“, sagt der Bürgermeister von Nordholz, Marcus Itjen (parteilos). Junge Ärztinnen scheuten den Schritt in die Selbstständigkeit. „Mit Blick auf die Familie wollen sie geregelte Arbeitszeiten.“

Daher sollen in den Versorgungszentren Ärztinnen und Ärzte arbeiten, die bei der Kommune angestellt sind. Ihnen sollen flexible Arbeitszeiten ermöglicht werden. Zusätzlich sollen in das Gebäude je nach regionalem Bedarf Pflegeberatungsstellen, Tagespflegeeinrichtungen, Physiotherapie- oder Hebammenpraxen, Bürgerbüros, Sanitätshäuser oder auch Cafés einziehen.

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Was ist daran neu?

Es gibt bereits kommunal getragene Medizinische Versorgungszentren. Die Regionalen Versorgungszentren gehen mit ihren Angeboten noch einen Schritt weiter. Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund findet die Idee zwar grundsätzlich gut, kritisiert aber die kommunale Trägerschaft, da den Kommunen die finanziellen, fachlichen und personellen Kapazitäten fehlten.

„Sollten sich private Betreiber nicht finden, ist die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen aufgrund ihres Sicherstellungsauftrages gehalten, von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, Eigeneinrichtungen zu gründen“, sagt Geschäftsführer Oliver Kamlage.

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Warum werden Dienstleistungen gebündelt?

Das Modellprojekt dient auch dazu, lange Wege zu vermeiden, heißt es im Konzeptpapier des Ministeriums. Die Zentren sollen selbst für alte Menschen in abgelegenen Dörfern mit Bussen oder mit Ruf- und Sammeltaxen gut erreichbar sein. Bisher müssen sie oftmals für verschiedene Beratungs- und Versorgungsangebote an unterschiedliche Orte fahren. „Für den einen Bedarf muss ich sonst vielleicht 10 Kilometer in die eine Richtung und für den anderen 15 Kilometer in die entgegengesetzte Richtung“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums für Regionale Entwicklung. Mit der Bündelung unter einem Dach versprechen sich die Akteure auch eine gute Vernetzung der Dienstleister untereinander.

„Viele Dinge funktionieren besser, wenn sie in einem Gebäude angeboten werden“, sagte Bürgermeister Itjen. Das Ministerium erhofft sich zudem, mit den Zentren das Leben auf dem Land attraktiver zu machen.

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Wo sollen die Zentren entstehen?

Für das Modellprojekt wurden die Landkreise Cuxhaven, Wesermarsch und Göttingen ausgesucht. Dort droht am ehesten in nächster Zeit eine Unterversorgung mit Hausärzten. Im Landkreis Cuxhaven soll das Zentrum in Nordholz entstehen, einer Stadt mit 6000 Einwohnern. „In der Gemeinde gehen mindestens drei Hausärzte in den nächsten Jahren in Ruhestand“, sagte Itjen. Für die anderen Landkreise steht der Standort noch nicht fest.

Wann sollen sie ihren Betrieb aufnehmen?

Die Entwicklungsphase ist bis Ende 2021 geplant. Mit verschiedenen Akteuren und Partnern vor Ort sollen Bedarfe ermittelt und Konzepte erstellt werden. Für das Projekt in den drei Landkreisen stellt das Land 3,7 Millionen Euro zur Verfügung. 2022 könnten die Zentren eröffnen. Bei Erfolg könnten nach Vorstellung des Ministeriums auch in anderen ländlichen Gebieten Versorgungszentren entstehen.