Mardorf. Unfall am Surferstrand in Niedersachsen: Eine Frau erleidet Brandverletzungen, weil sie einen gefährlichen Phosphorbrocken für Bernstein hält.

Ein bernsteinähnlicher Phosphor-Brocken hat eine 28-Jährige am Steinhuder Meer schwer verletzt. Die Fußgängerin habe den vermeintlichen Bernstein aus dem Wasser aufgelesen und in die Jackentasche gesteckt, sagte die Leiterin des Fachbereichs Umwelt der Region Hannover, Sonja Papenfuß, am Montag in Mardorf. Dieser entzündete sich, die Frau erlitt Verbrennungen zweiten Grades und kam für eine Nacht in die Medizinische Hochschule Hannover.

Lebensgefährlich verletzt sei sie nicht. Weißer Phosphor stammt aus Brandbomben – eine Altlast aus dem Zweiten Weltkrieg.

Wie kommt Phosphor ins Steinhuder Meer?

Die Region Hannover als Eigentümerin ließ am späten Sonntagabend zwischenzeitlich den Surferstrand, den Badestrand am Nordufer und die Badeinsel in Steinhude sperren. Am Montagmorgen wurde die Sperrung teilweise, am frühen Nachmittag dann ganz aufgehoben, wie Papenfuß sagte. Stattdessen würden Warnhinweise aufgestellt. Am Strand und im Wasser sollten möglichst keine Steine gesammelt werden, auch sollten Besucher auf Kinder achten.

Wie aber kommt Phosphor ins Steinhuder Meer? Papenfuß erklärte, schon früher habe es dort Phosphorfunde gegeben. Es handele sich dabei um Munitionsreste aus dem Zweiten Weltkrieg. Zu einem Unfall wie diesmal sei es aber bisher nicht gekommen, auch wenn die Munitionsaltlasten bekannt seien. Lückenlos aufklären lasse sich der Verbleib der explosiven Überreste aber nicht - auch ein abgeschossenes Flugzeug liege noch in dem See. Benjamin Gleue, Koordinator und Sprecher der Stadt Neustadt am Rübenberge, zu der Mardorf gehört, sagte zu dem Unfall: „Das ist wirklich ein Novum hier.“ Es habe im Krieg eine Flakstellung am Steinhuder Meer gegeben.

Absperrband versperrt Teilbereiche des Surferstrandes bei Mardorf am Steinhuder Meer.
Absperrband versperrt Teilbereiche des Surferstrandes bei Mardorf am Steinhuder Meer. © dpa | Julian Stratenschulte

Phosphorbrocken ähneln Bernstein

An den Strand geraten sei die tückische Substanz vermutlich im Frühjahr bei Aufspülungen von Sand, der aus dem See selber stamme, erklärte Papenfuß. Sandbänke, die die Schifffahrt auf dem Steinhuder Meer behinderten, seien abgetragen und der Sand an anderer Stelle aufgespült worden – und mit ihm die leicht entzündliche Altlast.

Das Problem: Äußerlich ähneln Phosphorbrocken tatsächlich Bernstein, sie sind kaum zu unterscheiden. Wenn Phosphor trocknet, entzündet er sich selbst - dann verbindet sich der Phosphor mit dem Sauerstoff aus der Luft und es entsteht ein 1300 Grad heißes Feuer. Dieses Feuer ist kaum zu löschen. Phosphordämpfe sind zudem hochgiftig.

Weißer Phosphor aus Munitionsresten des Zweiten Weltkrieg wird immer wieder an Stränden freigespült. Bekannt ist dies vor allem von der Insel Usedom in Mecklenburg-Vorpommern.

Gegenseitig darauf aufmerksam machen

Die Phosphorreste, die die Frau am Sonntagnachmittag gefunden hatte, konnten nach Angaben der Region Hannover nicht geborgen werden – die 28-Jährige hatte den Klumpen weggeworfen, nachdem er sich entzündet hatte. Nach Absprache mit dem Kampfmittelbeseitigungsdienst sei klar, dass der Sand nicht ausgetauscht oder großflächig durchsiebt werde, sagte Papenfuß. Das sei unverhältnismäßig, es sei unwahrscheinlich, dass größere Mengen Phosphor gefunden würden.

Das sieht auch Ralf Madert, Geschäftsführer des Surfer’s Paradise am Nordufer des Steinhuder Meeres, so: „An der Ostsee weiß jeder Gast Bescheid“, sagte er über die Gefahr, Bernstein mit Phosphor zu verwechseln. Jetzt sei immerhin bekannt, dass es auch am Steinhuder Meer passieren könne, Phosphor zu finden. „Wir haben den Strand abgesucht, es ist nichts da“, meinte Madert. Man könne es auch niemandem verübeln, wenn er einen „geilen Stein“ aufhebe. Wie die Surfer und Badegäste nun mit dem Zwischenfall umgehen? „Damit werden wir leben wie mit Corona – jeder macht andere darauf aufmerksam“, betonte er.

Kein Bernstein im Steinhuder Meer

Der 28-Jährigen gehe es „den Umständen entsprechend gut“, Folgeschäden seien keine zu erwarten, sagte Papenfuß. Und die Surfer und Kiter eroberten sich schnell den See zurück, etwa 50 von ihnen tummelten sich am Montag auf dem Wasser. Nur: Ist am Steinhuder Meer überhaupt mit - echten - Bernsteinfunden zu rechnen: „Das wäre sehr ungewöhnlich, denn Bernstein gibt es hier nicht“, sagte sie.