Hannover. Im Streit um die Zukunft und die Finanzierung der Pflegekammer Niedersachsen wird hart um den richtigen Kurs gerungen. Ein Streitpunkt ist ausgeräumt.

Die Dauerkrise um die Pflegekammer in Niedersachsen ist noch nicht ausgestanden: Zwar hat die Kammer auf ihrer Versammlung am Dienstag die Abschaffung der Mitgliedsbeiträge für 2020 und die Folgejahre beschlossen. Wie die Kammer mitteilte, konnte wegen der noch nicht erfolgten Finanzierungszusage des Landes die Rückerstattung der Beiträge für 2019 und 2018 aber noch nicht eingetütet werden. Das dürfte kaum für gute Stimmung bei den rund 90.000 Pflegekräften sorgen, die eigentlich in einer Online-Befragung gerade über die Zukunft der Kammer entscheiden sollten. An den Beiträgen für die vergangenen Jahre hatte sich der meiste Ärger um die Kammer entfacht.

Pflegekammer-Befragung wegen Hacking-Verdachts unterbrochen

Zu allem Überfluss musste die Befragung vor einer guten Woche wegen eines Hacking-Verdachts unterbrochen werden. Sozialministerin Carola Reimann (SPD) entschied am Dienstag, dass die Befragung neu gestartet wird. Obwohl laut dem Umfrageinstitut nur eine geringe Zahl von Fragebögen möglicherweise manipuliert wurde, sei ein Fortsetzen der Befragung keine Option. Dabei ließ die Ministerin vorerst offen, ob die von der Pflegekammer als missverständlich kritisierte Kernfrage zu deren Zukunft neu formuliert wird. Beim Neustart der Befragung werde man sich noch einmal mit der Kritik am Fragebogen und der Frage zur Zukunft der Kammer auseinandersetzen, so Reimann.

Diese unverbindliche Erklärung löste prompt eine harsche Resolution der zu dem Moment noch tagenden Kammer aus: „Die Kammerversammlung verurteilt auf das Schärfste die Vorabbeurteilung der Frage 11.1 durch Ministerin Frau Dr. Reimann und fordert das Ministerium auf, eine neue, unabhängig und ergebnisoffen durchgeführte, wissenschaftlich fundierte Evaluation und Befragung mit eindeutigen Fragestellungen vorzunehmen.“

FDP und AfD forderten Rücktritt von Ministerin Reimann

Die weiter ungeklärten Punkte bei der Rückerstattung der Beiträge sowie der Mitgliederbefragung zeugen von einem heftigen Machtkampf hinter den Kulissen. Dabei geht es um die Unabhängigkeit der Kammer, um Landespolitik und um den Fortbestand der Kammer an sich. Daran scheint nur noch den Geburtshelfern SPD und Grünen gelegen, die Kammer ist ein Kind der rot-grünen Vorgängerregierung.

Der Streit führte im März bereits zu einem Wechsel an der Kammerspitze, inzwischen forderten FDP und AfD auch den Rücktritt von Ministerin Reimann, weil sie zu zögerlich in der Krise verfahre. „Der politische Konflikt um die Pflegekammer hat in Niedersachsen ein unverhältnismäßiges Ausmaß angenommen und muss endlich beendet werden“, erklärte Reimann dazu am Dienstag.

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Entscheidung liegt bei den Mitgliedern

Ob es überhaupt zu dem schon vor Monaten erwarteten Entscheid der Kammer zur Beitragsfreiheit kommen würde, war bis zuletzt unklar. In letzter Minute, so die Pflegekammer, sei am Montagabend eine Einigung mit dem Sozialministerium erzielt worden – noch nicht aber für die Rückzahlung. „Wir möchten die Beiträge gerne erstatten. Aber auch für die Rückzahlung brauchen wir eine verbindliche Finanzierungszusage. Wir haben dafür keine eigenen Mittel“, sagte Kammerpräsidentin Nadya Klarmann. In einem Schreiben an die Ministerin hatte sie vor einer Woche auch erklärt, dass sie eigentlich nichts davon halte, die Kammer finanziell von der Landesregierung abhängig zu machen. Dies sei eine Bevormundung, die eine selbstverwaltete Kammerarbeit beeinträchtige.

„Es ist aus Sicht der Landesregierung völlig klar, dass es eine beitragsfinanzierte Kammer in Niedersachsen nicht mehr geben wird“, konterte Reimann am Dienstag. „Mit dem heutigen Beschluss der Kammerversammlung ist der Weg für die Beitragsfreiheit geebnet.“ Der Koalitionspartner CDU folgte der Sichtweise der Ministerin indes nicht ganz. Es liege nun an den Mitgliedern zu entscheiden, ob die Pflegekammer überhaupt weiter bestehen soll – und wenn ja, wie sie finanziert werde, erklärte der CDU-Abgeordnete Volker Meyer. Das die umstrittene Frage konkretisiert wird, setzte er voraus - ebenso wie der SPD-Abgeordnete Uwe Schwarz. dpa