Hannover. Rund 70 Organisationen wollen sich zusammenschließen, um etwas für gefährdete Tierarten zu tun. Niedersachsens Landespolitik reagiert skeptisch.

Mit einem Volksbegehren will ein Bündnis von Naturschützern und Parteien strengere Vorgaben für den Artenschutz durchsetzen. „Es geht um unsere eigenen Lebensgrundlagen, die wir zerstören“, sagte die niedersächsische Grünen-Chefin Anne Kura am Montag in Hannover.

Nach Angaben des Naturschutzbundes (Nabu) ist in Niedersachsen die Hälfte der rund 11.000 Tier- und Pflanzenarten bedroht, darunter Vögel, Bienen und andere Insekten. „Das hat verheerende Auswirkungen auf unser Ökosystem“, sagte Nabu-Landeschef Holger Buschmann. Gesunde Luft, sauberes Wasser und nährstoffreiche Böden seien in Gefahr.

Niedersachsen: Politik steht Artenschutz-Volksbegehren kritisch gegenüber

Die Landesregierung will die Unterschriftensammlung hingegen unnötig machen. Auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz warben Umweltminister Olaf Lies (SPD) und Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) dafür, auch die Landwirtschaft einzubeziehen und dann zusammen mit den Umweltschutzorganisationen Nabu und BUND ein Maßnahmenpaket zu vereinbaren.

Ein solcher Vertrag könne in wenigen Wochen unterzeichnet werden. Ein fertiger Gesetzentwurf fehlt bisher allerdings auf beiden Seiten.

70 Organisationen prüfen Volksbegehren

Das Bündnis für das Volksbegehren, dem mehr als 70 Partner angehören, darunter Nabu, BUND, Grüne, Linke und Fridays for Future, lässt seinen Gesetzentwurf derzeit noch juristisch prüfen. Er sieht unter anderem Quoten für den Ökolandbau und ein Pestizidverbot für Naturschutzgebiete vor. Zudem sollen Agrarbetriebe, die den Artenschutz unterstützen wollen, gefördert werden.

Unterschriftensammlung soll in einigen Wochen beginnen

Ende März oder Anfang April könne die Unterschriftensammlung beginnen, hieß es. Binnen sechs Monaten benötigt das Bündnis zunächst 25.000 Unterschriften, um als Volksbegehren zugelassen zu werden.

Anschließend müssten sich binnen weiteren sechs Monaten knapp 610.000 Niedersachsen – zehn Prozent der Wahlberechtigten - dem Begehren anschließen, damit es den Weg ins Parlament schafft. Der Landtag muss dann nicht zustimmen. Lehnt er ab, folgt jedoch ein Volksentscheid.

Volksbegehren in Bayern setzte Politik unter Zugzwang

In Bayern hatte ein Volksbegehren für die Artenvielfalt bereits Erfolg: Obwohl sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zunächst skeptisch gezeigt hatte, setzten 1,7 Millionen Unterschriften die Koalition von CSU und Freien Wählern unter Zugzwang. Im Juli 2019 nahm der Landtag das Volksbegehren schließlich an. Die Vorgaben zum Umwelt-, Natur- und Artenschutz wurden deutlich verschärft.

Umweltminister Lies warnt dagegen vor einer „Auseinandersetzung auf der Straße“ – stattdessen müssten, wie vom Landvolk gefordert, auch die Bauern in den Dialog mit einbezogen werden. „Die Gefahr ist, dass ein Volksbegehren zur Spaltung in der Gesellschaft führt“, sagte Lies. Agrarministerin Otte-Kinast betonte: „Unsere Landwirte haben den Schlüssel in der Hand.“

Inhaltliche Übereinstimmungen zwischen Organisationen und Landesregierung

Inhaltlich liegen die Befürworter des Volksbegehrens und die Regierung dabei gar nicht allzu weit auseinander. So fordern beide eine Quote für den Ökolandbau von 10 Prozent bis 2025 und beide sind bereit, die Bauern bei der Umstellung auf eine umweltfreundlichere Produktion zu unterstützen. Lies stellte „einen hohen zweistelligen Millionenbetrag“ pro Jahr in Aussicht, mit dem der Artenschutz vorangetrieben werden soll.

Das Bündnis für das Volksbegehren ist damit von vornherein zurückhaltender als das Vorbild in Bayern, das eine Ökolandbau-Quote von 20 Prozent bis 2025 forderte. Man wolle realistisch sein und einen Kompromiss anbieten, sagten die Initiatoren. Denn in Niedersachsen ist der Nachholbedarf beim Ökolandbau besonders groß: Bisher liegt der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche gerade mal bei 4,1 Prozent. Bundesweit sind es im Schnitt 9,1 Prozent. dpa