Hannover. Hannovers OB Belit Onay (Grüne) hat nach seiner Wahl viele Drohungen und Hass erlebt, vor allem in sozialen Medien. Er zeigt klare Kante.

Hannovers neuer Oberbürgermeister Belit Onay lässt sich Drohungen und Beleidigungen in sozialen Medien nicht ohne weiteres gefallen. Strafrechtlich relevante Posts seien angezeigt worden, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Mit der Polizei habe er vom ersten Tag an zusammengearbeitet.

Hannovers Oberbürgermeister reagiert mit Anzeigen auf Hass im Netz

„Die Verfahren laufen noch. Meines Wissens hat man eine Person identifizieren können, die sehr beleidigende und rassistische Kommentare in den sozialen Medien gepostet hat“, sagte Onay. „Ich will das nicht auf sich beruhen lassen - diese Leute dürfen nicht kommentieren können, wie sie wollen.“ Der 39-Jährige riet dennoch zu einem gelassenen Umgang mit Hass-Posts. Der türkischstämmige Onay ist bundesweit der erste Oberbürgermeister mit Migrationshintergrund in einer Landeshauptstadt.

Die Polizei habe auf seinem Account geprüft, was strafrechtlich relevant sei, erklärte Onay. „Die Anfeindungen waren schon sehr massiv - nicht nur in der Art und Weise, auch was die Menge angeht.“ Vor allem am Wahlabend habe sich die rechte Szene im Netz ausgetobt. „Vom rechten Spektrum kommt da recht viel, für die bin ich ein Hass-Objekt.“

Städtetag sicher Belit Onay Solidarität zu

Onay hatte sein Amt am 22. November angetreten. Zuvor hatte die SPD über 70 Jahre den Oberbürgermeister in der niedersächsischen Landeshauptstadt gestellt. Auslöser der vorzeitigen Wahl war die Rathausaffäre um verbotene Gehaltszulagen, die den früheren OB Stefan Schostok (SPD) zum Rücktritt zwang.

Niedersachsens Städtetag hatte Onay angesichts der Beleidigungen die Solidarität und Unterstützung der Bürgermeisterkonferenz zugesichert. Die Religion oder Abstammung eines Bewerbers um das Amt des Oberbürgermeisters dürften keine Bedeutung haben. Wegen rechtsextremer Übergriffe trat der Bürgermeister der Gemeinde Estorf bei Nienburg, Arnd Focke (SPD), Ende Dezember von seinem Amt zurück.

Onay: Angst vermeiden, gelassen mit Hetze umgehen

Onay sagte, er könne „Verwaltungsbeamte verstehen, die sagen, dass sie sich das nicht mehr antun wollen“. Er betonte aber auch: „Aus meiner Sicht geht es nicht anders, als damit einigermaßen gelassen umzugehen. Sich ständig Gedanken zu machen, würde das eigene Leben total einschränken. Die Hetze zielt ja darauf ab, Angst zu schüren. Das versuche ich zu vermeiden.“

Er habe aber auch einen „krassen Unterschied“ zwischen der realen Welt und der Welt der sozialen Medien festgestellt: „Am Tag nach der Wahl, nach dem Blick in die sozialen Netzwerke, hatte ich das Gefühl, vor der Tür müsste der Mob toben. In Wirklichkeit waren und sind die Menschen draußen sehr nett“, sagte Onay. „Insofern muss man das trennen: Hannover ist viel relaxter und viel freundlicher als manche Menschen in den sozialen Netzwerken. Dennoch geht das nicht an einem vorüber, es hat mich schon belastet.“ Allerdings sei er in den sozialen Netzwerken im Moment „nicht mehr so aktiv, der Zeitfaktor lässt das nicht zu“.

Innenminister Pistorius will Identifizierungspflicht im Netz

Auf Betreiben von Niedersachsen prüft der Bundesrat derzeit auch neue Identifizierungspflichten im Internet. Das soll den Behörden helfen, Urhebern von Hassbotschaften auf die Spur zu kommen. Innenminister Boris Pistorius (SPD) will, dass Nutzer von sozialen Netzwerken und Gaming-Plattformen verpflichtet werden, bei der Registrierung Namen, Anschrift und Geburtsdatum anzugeben.

Es sei für die Behörden viel zu schwierig, Urheber von Hassbotschaften ausfindig zu machen, sagte Pistorius kürzlich. Verfahren müssten deswegen häufig eingestellt werden.

Nicht nur soziale Medien im Fokus des Innenministers

Der Vorschlag sieht vor, dass künftig nicht mehr nur soziale Netzwerke rechtswidrige Inhalte melden und löschen müssen, sondern auch Spieleplattformen. Auch dort komme es vermehrt zu Hasskriminalität, etwa bei der Nutzung der Messenger-Funktionen. „Das Internet ist kein Sherwood Forest für Outlaws“, sagte Pistorius in Anspielung auf den Robin-Hood-Mythos. Er betonte aber auch: „Wir wollen keine Klarnamenpflicht.“ Behörden sollten die Daten für die Verfolgung von Straftaten oder deren Vereitelung abfragen dürfen. dpa