Hannover. Ein Jahr nach dem Rücktritt von Maren Brandenburger steht der von ihr grundlegend modernisierte Verfassungsschutz schon wieder vor einer Reform.

Den arg in Verruf geratenen niedersächsischen Verfassungsschutz hatte Maren Brandenburger gerade zu einer transparenteren Behörde umgekrempelt und auf neue Bedrohungen durch Islamisten und Rechtsextremisten ausgerichtet, als sie selbst über einen Patzer stolperte.

Vor einem Jahr musste die Verfassungsschutzchefin ihren Posten räumen, nachdem durch eine Panne ihrer Behörde ein V-Mann enttarnt wurde. Dabei hatte sie die nach dem NSU-Skandal und der unrechtmäßigen Speicherung Tausender Personendaten massiv kritisierte Behörde gerade erst in ruhiges Fahrwasser gebracht.

Verfassungsschutz „in ruhigen Fahrwasser“

Kaum hat ihr Nachfolger Bernhard Witthaut das Ruder übernommen, gibt es nun wieder Rufe nach Reformen. Mit der Arbeit des vor elf Monaten ins Amt aufgerückten ehemaligen Osnabrücker Polizeichefs hat das nichts zu tun, fraktionsübergreifend stellt die Landespolitik ihm ein gutes Zeugnis aus.

Der Verfassungsschutz sei wieder „in ruhigem Fahrwasser“, der Austausch mit der Bundesbehörde habe sich verbessert, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Ulrich Watermann. „Wir sind raus aus diesen Schlagzeilen, das ist das größte Gift für eine Sicherheitsbehörde.“ Auch beim Koalitionspartner CDU zeigt Innenexperte Uwe Schünemann sich zufrieden. „Der neue Verfassungsschutzpräsident hat eine interne Strukturreform durchgeführt, die in die richtige Richtung geht.“

Neue Regel zur Datenspeicherung

Auch die Opposition ist mit Witthaut grundsätzlich zufrieden. Der neue Präsident habe das Amt wieder in „geordnete Bahnen“ gebracht, meint der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Helge Limburg. „Es gibt das Bemühen, mit allen Beteiligten vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.“ Auch AfD-Amtskollege Klaus Wichmann würdigt Witthaut, trotz der grundsätzlichen Kritik seiner Partei an der Aufstellung des Verfassungsschutzes, als „integere Person“.

Zwar hatten SPD und CDU eine Neufassung des Verfassungsschutzgesetzes bereits vor zwei Jahren im Koalitionsvertrag vereinbart; darüber, wie umfangreich die Reformen nun werden sollen, gibt es aber noch Dissens. „Der Entwurf des Verfassungsschutzgesetzes befindet sich aktuell in der Ressortbeteiligung“, sagt Innenminister Boris Pistorius (SPD). „Unter anderem geht es dabei um eine neue Regelung der Speicherung von Daten Minderjähriger sowie Modifizierungen zum Einsatz von Vertrauenspersonen.“

Verfassungsschutz soll entbürokratisiert werden

CDU-Experte und Ex-Innenminister Schünemann will weitergehende Befugnisse für den Verfassungsschutz, wie die Möglichkeit zur Wohnraumüberwachung und Online-Durchsuchung. Auch der Datenaustausch mit Polizei und Justiz müsse erleichtert werden, Speicherfristen ausgedehnt und die Auskunftspflichten gegenüber Betroffenen, die im Visier der Behörde stehen, auf ein vernünftiges Maß eingeschränkt werden. Generell müsse die Behörde, die sich im Moment sehr viel mit sich selbst beschäftige, entbürokratisiert werden. Bis Jahresende hofft er auf eine Einigung mit der SPD. 2020 könne der Landtag das Gesetz dann beraten und beschließen.

„Es gibt kein Gesetzesdefizit, sondern ein Verfolgungsdefizit“, meint indes der Grünen-Abgeordnete Limburg. Gegen Rassismus, Hasspostings und die im Dreiländereck von Niedersachsen, Hessen und Thüringen agierenden Neonazis müsse gehandelt werden. Der Verfassungsschutz müsse das Internet noch mehr unter Beobachtung halten.

Die AfD kritisiert indes, dass der Verfassungsschutz dem Innenministerium unterstellt ist und forderte in der letzten Landtagssitzung eine Entpolitisierung der Behörde. Einseitig werde diese in Richtung der AfD instrumentalisiert. Auch nach dem Rücktritt von Brandenburger hätten sich Pannen etwa mit dem Verlust von Akten fortgesetzt.

Maren Brandenburger im Sozialministerium

Schlagzeilenträchtig zumindest war ein Fall, mit dem sich in Kürze das Amtsgericht Hannover beschäftigten muss. Um seinen Dienstwagen weiterhin auch für private Fahrten nutzen zu können, soll ein Verfassungsschützer seinen Chef mit erfundenen Vorwürfen sexueller Belästigung versucht haben zu erpressen.

Maren Brandenburger (51), die mit ihrem Rückzug Minister Pistorius eine anhaltende Diskussion über die Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes ersparte, arbeitet seitdem als Referatsleiterin im Sozialministerium. Unter anderem kümmert sie sich um Migrationsfragen.