Hannover. Bildungskurse an den Volkshochschulen könnten bald teurer werden, weil der Fiskus zuschlägt. Niedersachsens Volkshochschulen sind in Sorge.

Hunderttausende von Bildungswilligen in Niedersachsen müssen voraussichtlich bald tiefer in die Tasche greifen. Denn das von der Bundesregierung beschlossene Ende der Umsatzsteuerbefreiung für viele Bildungsangebote könnte zu einer deutlichen Verteuerung der meisten Seminare führen, fürchtet der Landesverband der Volkshochschulen. „Insbesondere einkommensschwache Bevölkerungsgruppen wären betroffen“, sagte die Vorsitzende Berbel Unruh der Deutschen Presse-Agentur.

Nach dem Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums, der vom Kabinett bereits gebilligt wurde, soll die derzeitige Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsangebote eingeschränkt werden. Sie soll künftig nur noch für Angebote gelten, mit denen Bildungsabschlüsse nachgeholt werden können oder die direkt dem beruflichen Fortkommen dienen. Begründet wird das Vorhaben mit einer Anpassung an europäisches Recht.

Umsatzsteuer müsste dann voraussichtlich zum Beispiel auf den größten Teil der VHS-Kurse erhoben werden. Die Einrichtungen bieten landesweit pro Jahr zusammen rund 65 000 Kurse an. Beliebt sind vor allem Fremdsprachen- und Gesundheitsangebote. Bei 19 Prozent Umsatzsteuer würde ein 50 Euro teurer VHS-Kurs künftig 59,50 Euro kosten.

Die geplante Gesetzänderung würde das Recht auf Bildung für Alle beschneiden, kritisiert Unruh. Wenn nur noch Angebote steuerbefreit seien, die der „Sphäre des Schul- und Hochschulunterrichts“ zuzuordnen sind, würden ganze Bevölkerungsgruppen durch die Erhebung der Umsatzsteuer diskriminiert. Dies betreffe Rentner, andere Nicht-Berufstätige, Menschen mit Behinderung oder ehrenamtlich Tätige, sagte Unruh, deren Verband die 57 Volkshochschulen mit 268 Außenstellen in Niedersachsen vertritt.

„Offenbar hat sich in der Regierungskoalition eine Logik durchgesetzt, die Bildung ausschließlich in ihrer beruflichen Verwertbarkeit als förderwürdig anerkennt“, kritisiert der Vorsitzende des Verbands der 23 niedersächsischen Heimvolkshochschulen, Jörg Matzen. Die Politik feiere zwar das Ehrenamt als Grundpfeiler unserer Gesellschaft. „Seminare zur weiteren Förderung, Begleitung, Qualifizierung oder zur Reflexion ehrenamtlichen Engagements wären aber umsatzsteuerpflichtig.“

Auch bei den kommunalen Spitzenverbänden regt sich Widerstand: „Der Niedersächsische Landkreistag lehnt die Pläne der Bundesregierung ab“, sagte Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer. Sie würden in ländlichen Regionen insbesondere die Volkshochschulen als maßgebliche Säule der Erwachsenenbildung treffen.

Auch der Niedersächsische Städtetag ist alarmiert. Von einer Verschärfung der Besteuerungspraxis wären zum Beispiel auch die Musikschulen betroffen, mahnt Geschäftsführer Dirk-Ulrich Mende. „Zudem solche Kurse von Volkshochschulen, die in den Ohren eines Steuerbeamten eher nach Freizeitvergnügen als nach drögem Frontalunterricht im Rahmen beruflicher Fortbildung klingen.“ Gesellschaftspolitische Bildung, wie sie angesichts erstarkter rechtsextremistischer Positionen dringend erforderlich wäre, würde dann teurer und unattraktiver. Die Verbände gehen davon aus, dass alle Träger der Erwachsenenbildung in Niedersachsen derzeit zusammen pro Jahr rund zwei Millionen Menschen erreichen.

Der Bundestag wird sich voraussichtlich Ende September erstmals mit dem Entwurf befassen. „Das Land Niedersachsen verfolgt die Beratungen sehr intensiv“, sagte eine Sprecherin des Wissenschaftsministeriums. Über sich möglicherweise für alle Bundesländer gleichermaßen ergebende Konsequenzen lasse sich derzeit nur spekulieren. dpa