Hannover. Immer mehr Eltern schicken ihre Kinder aufs Gymnasium. Nicht für jeden ist das die richtige Wahl, sagen Philologenverband und Handwerkskammer.

Nach der Grundschule gehen nach wie vor die meisten Jungen und Mädchen in Niedersachsen auf ein Gymnasium. Von den gut 70.000 Schülern, die zum Schuljahr 2018/2019 die Grundschule verließen und auf eine weiterführende Schule gingen, wechselten 43,6 Prozent zum Gymnasium. Das waren 0,2 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr und 1,2 Prozentpunkte mehr als noch vor vier Jahren, wie das Kultusministerium in Hannover mitteilte. Das Gymnasium ist seit mehr als zehn Jahren die beliebteste Schulform. Stichtag der Erhebung war der 23. August 2018.

Gleichzeitig nimmt der Anteil der Hauptschule stetig ab: Im ausgehenden Schuljahr wurde dieser Schultyp nur noch von 3,7 Prozent der Grundschüler gewählt, das war im Vergleich zum Jahr davor ein Rückgang um 0,5 Prozentpunkte. Einen leichten Zuwachs um jeweils 0,2 Prozentpunkte verzeichneten die Realschulen (13,9 Prozent) und die Oberschulen (21,9 Prozent). Diese Schulform, die Haupt- und Realschule zusammenfasst, ist nach dem Gymnasium in Niedersachsen die beliebteste. Einen leichten Rückgang gab es dagegen bei den Integrierten Gesamtschulen: Ihr Anteil lag bei 16,1 Prozent - im Schuljahr 2017/2018 betrug er noch 16,2 Prozent.

Eltern sehen gute Erfolgschancen

„Die Werte zeigen, dass unser Schulsystem gut aufgestellt ist. Weder brauchen wir neue Schulformen, noch müssen Schulformen abgewickelt werden“, sagte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD).

Für den Vorsitzenden des niedersächsischen Philologenverbandes, Horst Audritz, sind die Zahlen eine Bestätigung für die Qualität des Gymnasiums. „Das ist eine hohe Anerkennung für diese Schulform. Offenbar sehen Eltern und Schüler hier die besten Erfolgschancen.“ Audritz warnte aber auch vor einer möglichen Abwertung des Abiturs. „Der Besuch eines Gymnasiums darf nicht damit verbunden sein, dass jeder den Anspruch erhebt, das Abitur zugesagt zu bekommen.“ Das Abitur müsse weiterhin ein bestimmtes Niveau haben, die Qualität dürfe sich nicht nach der Nachfrage richten. Auch die Gymnasien müssten inzwischen immer mehr Förderangebote machen – Audritz sieht darin ein Zeichen dafür, dass eine zunehmende Anzahl von Schülern mit dem Programm dort nicht mithalten könne.

Mit einer Ausbildung auf die Hochschule

Auch bei der Handwerkskammer Hannover gibt man zu bedenken, dass Gymnasium und Abitur nicht unbedingt für jeden der richtige Weg sei. „Viele junge Menschen scheitern bereits im – oft nicht frei gewählten – schulischen Bildungsverlauf, produzieren schlechte Noten, sind unglücklich, müssen die Schule wechseln oder brechen aufgrund Leistungsdruck ihren Bildungsweg gänzlich ab“, sagt der für Bildung zuständige Geschäftsführer Carl-Michael Vogt. So könne auch viel wertvolle Zeit verschwendet werden.

Das Handwerk fange junge Menschen auf, die dies erkannt hätten, und ermögliche ihnen interessante alternative Bildungswege. „Mit einer regelmäßigen Ausbildung und einem anschließenden Meisterbrief hat man ebenfalls den Hochschulzugang“, sagte Vogt. dpa