Hannover. Bis 2035 wird der Bedarf an Wohnungen auf 300.000 geschätzt. Das Land will daher 400 Millionen für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen.

Die überhitzte Lage auf dem Wohnungsmarkt macht nach Ansicht von Niedersachsens Wohnungswirtschaft dringend schnelles Handeln erforderlich. Bis zum Jahr 2035 wird der Bedarf an Wohnungen im Lande auf 300 000 geschätzt.

Auslaufende Mietbindung

Der auch für den Bausektor zuständige Umweltminister Olaf Lies (SPD) mahnte am Dienstag in Hannover, dass von den 74 887 Sozialwohnungen in Niedersachsen Ende 2018 viele demnächst aus der Mietbindung herausfielen. Von den vor 30 Jahren noch 120 000 Sozialwohnungen blieben nur noch 40 000 bis 2022 übrig.

Die Landesregierung hatte am Vortag erklärt, 400 Millionen Euro aus dem Haushaltsüberschuss 2018 in einem Förderfond für den sozialen Wohnungsbau bereitzustellen. Ein unter Beteiligung des Bauministeriums gegründetes Bündnis für bezahlbares Wohnen begrüßte diese Förderung ebenso wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) als wichtigen ersten Schritt.

Diesem müssten weitere folgen. "Es ist ein Startschuss für die erste Etappe in einem langen Streckenlauf", sagte der Direktor des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen und Bremen (vdw), Heiner Pott.

Kehrtwende in der Wohnungsbauförderung

Das Land greife nach gut 15 Jahren wieder mit eigenen Mitteln in den sozialen Wohnungsbau ein und vollziehe damit eine Kehrtwende bei der Wohnungsbauförderung. Hintergrund: 2004 war die damalige Landeswohnungsbaugesellschaft Nileg an Investoren verkauft worden. Die Gründung einer neuen Gesellschaft hält Lies angesichts der Dringlichkeit des Themas jedoch kaum für zielführend. Wichtig sei eher eine schnelle Unterstützung kommunaler und privater Partner. Die oppositionellen Grünen im Landtag in Hannover dagegen halten ebenso wie die FDP die Investitionen des Landes in den sozialen Wohnungsbau für ungenügend. "Der Ausstieg der öffentlichen Hand aus dem sozialen Wohnungsbau war ein schwerer Fehler: ohne eine vernünftig ausgestattete Landeswohnungsbaugesellschaft fehlt das Fundament", meinte der Grünen-Abgeordnete Christian Meyer.

„Staat muss selber bauen“

Der niedersächsische DGB-Vorsitzende Mehrdad Payandeh sieht das ähnlich: "Statt nur den sozialen Wohnungsbau zu fördern, muss der Staat selber bauen; der Markt, wie er sich gegenwärtig zeigt, wird das Problem nicht lösen." Payandeh hält einen Bedarf für mindestens 100 000 Sozialwohnungen für realistisch und meinte: "In Niedersachsen gibt es massiven Wohnungsmangel, in vielen Städten explodieren die Mieten; für immer mehr Menschen wird Wohnen zur Existenzfrage."

Das bestätigt auch der Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes Niedersachsen-Bremen, Randolph Fries. Noch nie habe er in den vergangenen Jahrzehnten so viele Proteste emotional aufgebrachter Menschen erlebt, die in Sorge über bezahlbaren Wohnraum seien, sagte er. Die 400 Millionen Euro nannte er einen "großen und richtigen Schritt der Landesregierung".

Lies betonte erneut, dass die Landesregierung bis 2030 rund 40 000 neue Sozialwohnungen schaffen will und daher die Zahl der geförderten Wohnungen zeitnah auf 4000 neue Sozialwohnungen pro Jahr steigern will. Bis 2023 könnten unter günstigen Umständen bis zu 1,7 Milliarden Euro mobilisiert werden und in den geförderten Wohnungsbau investiert werden.

Lies: Keine Wohnghettos schaffen

Der SPD-Politiker warnte jedoch davor, die Fehler der 1970er Jahre zu wiederholen und reine Wohnghettos zu schaffen. Eine gute gesellschaftliche Durchmischung sei wichtig. Das neue Wohnraumförderkonzept soll bis Anfang Juli fertiggestellt sein. Die oppositionelle FDP forderte Lies dagegen auf, sich im Bund auch für eine Eindämmung der "völlig überzogenen Forderungen der Energieeinsparverordnung" einzusetzen. "Bezahlbarer Wohnraum entsteht, wenn Bürokratie abgebaut wird, wenn Genehmigungen schneller erteilt werden; Bauen muss außerdem günstiger werden", meinte die FDP-Landtagsabgeordnete Susanne Schütz.

Auch Verbandsdirektor Pott sprach sich für schnellere und einfachere Genehmigungsverfahren aus. Wegen der steigenden Mieten nehme die Zahl der Menschen zu, die Anspruch auf sozialen Wohnungsraum hätten. Als bezahlbare Miete gilt in Niedersachsen ein Quadratmeterpreis zwischen 6,10 und 7,50 Euro.