Hannover. . Die Mehrzahl der Abschiebungen scheitert bislang in Niedersachsen. Eine zentrale Landesbehörde soll schon bald für effizientere Abläufe sorgen.

Mit einer neuen zentralen Landesbehörde will Niedersachsen mehr abgelehnte Flüchtlinge als bislang außer Landes schaffen. Vor einigen Tagen hatte das Innenministerium damit begonnen, mit den kommunalen Spitzenverbänden und Ausländerbehörden ein Grobkonzept dafür zu erarbeiten. Wie das Innenministerium am Montag in Hannover mitteilte, sei im Vergleich mit anderen Bundesländern wie etwa Baden-Württemberg erkennbar, dass zentrale Strukturen vorteilhaft sind für das erfolgreiche Abschieben abgewiesener Ausländer. 1445 Menschen wurden 2018 aus Niedersachsen abgeschoben, mehr als 4000 Abschiebungen scheiterten.

Frühestens Mitte des Jahres kann die neue Zentralbehörde nach Einschätzung des Innenministeriums mit ihrer Arbeit beginnen und sukzessive die Aufgabenverlagerung von den Kommunen auf das Land erfolgen. Während die 52 Ausländerbehörden im Land weiterhin für das Erteilen und Verlängern von Aufenthaltsgenehmigungen zuständig sein sollen, soll die neue Zentralbehörde alle Aufgaben bündeln, die mit der Vorbereitung und Umsetzung von Abschiebungen zusammenhängen. Von der Konzentration bestimmter Aufgaben wie das Beschaffen von Passersatzpapieren im Ausland auf spezialisierte Mitarbeiter verspricht man sich eine erhöhte Effizienz der Verfahrensabläufe.

Abschiebungen sollen konsequenter umgesetzt werden

„Durch die Zentralisierung von Zuständigkeiten auf Landesebene können notwendige Aufgaben des Rückführungsvollzugs effektiver bearbeitet und Abschiebungen konsequenter umgesetzt werden“, hatte Innenminister Boris Pistorius (SPD) bei der Ankündigung des Projekts erklärt. Mit der neuen Stelle sollen landeseinheitliche Verfahrensabläufe ermöglicht und das Bündeln von Fachwissen an einer zentralen Stelle erleichtert werden. Eine Ministeriumssprecherin erläuterte, die Expertise in den Ausländerbehörden sei auch durch ihre unterschiedliche Größe nicht identisch. So habe die Stelle in Hannover etwa deutlich mehr Mitarbeiter als die in einer Kreisstadt.

50 Vollzeitstellen sind bereits in diesem Jahr für die Zentralstelle vorgesehen, 50 weitere im kommenden Jahr und rund 200 Mitarbeiter im Vollbetrieb. Wie unsere Zeitung bereits berichtete, soll für die Zentralisierung keine komplett neue Behörde aufgebaut werden. Für die Übernahme der Aufgaben gelte der Standort der Landesaufnahmebehörde Braunschweig als aussichtsreich.

Flüchtlingsrat reagiert kritisch

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen reagierte kritisch auf die Pläne des Innenministeriums und sprach von einer „zentralen Abschiebebehörde“. Diese werde dazu führen, dass sich die Abschiebepraxis in Niedersachsen weiter verschärfen würde. Die örtlichen Ausländerbehörden seien über das Schicksal eines bestimmten Flüchtlings und den letzten Stand seines Falls stets besser informiert, als eine weit entfernte Landesbehörde. Von der Wende zu mehr Menschlichkeit in der Ausländerpolitik, die Pistorius vor gut vier Jahren angekündigt habe, sei nichts mehr übrig.

Auch die Grünen-Landtagsfraktion lehnte eine zentrale Anlaufstelle ab. „Niedersachsen steigt damit endgültig in den populistischen Abschiebe-Wettlauf mit (Bundesinnenminister Horst) Seehofer ein“, sagte der Grünen-Abgeordnete Belit Onay. Außer den Populisten werde es dabei nun Verlierer geben. „Vor allem die Menschen, die unter diesen bürokratischen Monstern leiden werden.“

Der Städtetag reagierte verhalten auf den Vorstoß, Zuständigkeiten von den kommunalen Ausländerbehörden auf eine Zentralstelle zu übertragen. „Grundsätzlich begrüßt der Niedersächsische Städtetag das Vorhaben, diese schwierigen Aufgaben zu zentralisieren“, sagte Hauptgeschäftsführer Jan Arning der Deutschen Presse-Agentur. Nach derzeitigem Stand befürchte er aber, dass durch die Vorschläge des Landes – etwa durch die Vielzahl von Schnittstellen zwischen den einzelnen Behörden – doppelte oder unklare Zuständigkeiten entstehen. Dies führe zu neuen Defiziten bei den Abschiebungen. „Die bestehenden Zuständigkeiten sollten im Ergebnis nur dann verändert werden, wenn am Ende eine Organisation steht, die die Rückführung effektiver, besser und rechtssicherer durchführt als bisher“, sagte Arning. dpa