Hannover. . Ein Wolf soll abgeschossen werden, das ruft Kritiker auf den Plan. In einem Brief fordern Wolfsberater aus verschiedenen Landkreisen mehr Infos.

Mehr als ein Dutzend Wolfsberater sehen bei dem von Umweltminister Olaf Lies (SPD) genehmigten Abschuss eines Wolfsrüden im Kreis Nienburg noch viele offene Fragen. In einem offenen Brief mahnen 16 der ehrenamtlichen Wolfsberater aus verschiedenen Landkreisen mehr Informationen über den Vorlauf der Entscheidung an. Ein Abschuss sei immer das letzte Mittel der Wahl und nur dann anzuwenden, wenn alle andere Mittel ausgeschöpft worden seien, betonten die Unterzeichner. Es sei nicht mitgeteilt worden, ob alles andere versucht worden sei, sagte Silas Neuman, Wolfsberater im Landkreis Cuxhaven, am Montag der dpa.

Abschuss als letztes Mittel

Wenn alles nichts bringe, dann sei der finale Abschuss vorgesehen. „Dahinter stehen wir auch“, betonte Neuman. Allerdings seien die Wolfsberater auf Informationen angewiesen, um selbst im unmittelbaren Austausch mit der Bevölkerung und Nutztierhaltern argumentieren zu können. „Um Fragen zum Thema sachgerecht beantworten zu können, ist es zwingend notwendig, dass von Ihnen die Faktenlage öffentlich transparent dargelegt wird“, hieß es in dem zweiseitigen Schreiben an Lies. Landesweit gibt es mehr als 100 Wolfsberater.

Die Wolfsberaterin im Landkreis Lüneburg, Ulrike Kessel, sagte: „Rechtlich und fachlich bleiben für uns viele Fragen offen, die einer Klärung bedürfen.“ Unter anderem fragen die Experten, mit welcher Begründung der Minister weder den Arbeitskreis Wolf noch die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf hinzugezogen habe. Neuman verwies darauf, dass vor einem Abschuss ein Schema abgearbeitet werden müsse. Dazu gehöre die Möglichkeit einer Vergrämung des Wolfes, einer - allerdings schwierigen - Ausstattung mit einem Sender oder einer Verbesserung des Herdenschutzes.

Ministerium nimmt Stellung

Das Ministerium betonte, man habe den Brief zunächst zur Kenntnis genommen. Eine Sprecherin verwies am Montag auf einen sehr langen Diskussionsprozess vor der erteilten Ausnahmegenehmigung, an dem auch der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) beteiligt gewesen sei. Auch seien andere Möglichkeiten geprüft worden. Da keine als sinnvoll erachtet wurde sei der Abschuss die letzte Alternative. Die Ausnahmegenehmigung sei zeitlich auf mehrere Wochen und örtlich befristet, so die Sprecherin.

„GW717m“ ist der Leitrüde des Wolfsrudels von Rodewald im Landkreis Nienburg. Mit dem Abschuss sollen weitere wirtschaftliche Schäden bei Tierhaltern verhindert werden. Der überwiegende Teil der Dutzenden von Nutztierrissen in der Region könne nachweislich dem Leitrüden zugeordnet werden, der auch Elektrozäune überwinde, hatte das Ministerium zu Begründung erklärt

Soziale Rudelgefüge könnte zerstört werden

Neuman wies unterdessen auf einen anderen sensiblen Punkt hin. Der sogenannte Leitwolf sei im Rudel das Vater-Tier. Es sei nicht auszuschließen, dass nach einem Abschuss das soziale Rudelgefüge zerstört sei und die Zahl der Nutztierrisse zunehme. Im Kreis Cuxhaven sei in der Vergangenheit ein massiver Anstieg von Rissen nach einem illegalen Abschuss eines Elterntieres beobachtet worden.

Im Ministerium verwies man darauf, dass zu dieser grundsätzlichen Fragestellung keine aussagekräftigen Studien mit Bezug auf Wölfe in Deutschland bekannt seien. „Für den Fall der rechtzeitigen individualisierten Entnahme eines schadenstiftenden Individuums wie GW717m kann insofern eher von einem deutlich reduzierten Risiko künftiger Nutztierschäden ausgegangen werden“, hieß es. In Niedersachsen gibt es etwa 20 Wolfsrudel mit 200 bis 250 Tieren. dpa