Oldenburg. . Im Prozess gegen den wegen 100-fachen Mordes angeklagten Niels Högel hat der Leiter der Sonderkommission Vorwürfe gegen das Klinikum erhoben.

Der des Mordes an 100 Patienten angeklagte Ex-Krankenpfleger Niels Högel hat aus Sicht der Ermittler in der Endphase seiner Verbrechen allein mit dem Motiv gehandelt, Menschen umzubringen. "Am Ende ging es Högel nur darum, zu töten", sagte Ermittlungsführer Arne Schmidt am Donnerstag im Prozess vor dem Landgericht Oldenburg. Es sei ihm nicht wie anfangs darum gegangen, als kompetenter Retter zu gelten, sondern er wollte nur noch Menschen vom Leben in den Tod zu befördern.

Högel lügt bei Vernehmung

Högel, dem die Staatsanwaltschaft 100 Morde an den Kliniken der niedersächsischen Städte Delmenhorst und Oldenburg zur Last legt, habe in den Vernehmungen nicht durchgängig die Wahrheit gesagt, sondern "planmäßig und inszeniert" gelogen. "Was nicht zu beweisen ist, gibt er auch nicht zu", resümierte Schmidt seine Erfahrung aus 30 Vernehmungsstunden mit Högel. So habe der 42-Jährige lange massiv abgestritten, in Oldenburg überhaupt jemandem geschadet zu haben.

In dem dortigen Klinikum tötete er aber laut Anklage 36 Patienten durch das Injizieren von Herzmedikamenten. Högels Ziel war dabei, Patienten in einen lebensbedrohlichen Zustand zu versetzen und Kollegen durch eine gelungene Reanimierung zu beeindrucken. Viele Patienten überlebten das nicht.

Bereits zu lebenslanger Haft verurteilt

Wegen des Todes von sechs Patienten auf der Delmenhorster Intensivstation hatte das Landgericht Oldenburg den Mann bereits Anfang 2015 zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Sonderkommission "Kardio", die Schmidt leitete, arbeitete von Oktober 2014 bis August 2017. Für die Ermittlungen wurden mehr als 130 Leichname exhumiert. Dies war nach Ansicht der Ermittler alternativlos für die Klärung der Fälle, aber für die Angehörigen überaus belastend. "Bei einigen ging das an die tiefste Substanz", so Schmidt, der als erster Zeuge des seit 30. Oktober laufenden Prozesses aussagte.

In rund drei Stunden referierte der 48-jährige Beamte detailliert die einzelnen Ermittlungsphasen für die Tatorte Oldenburg und Delmenhorst, wo Högel von Juni 1999 bis Oktober 2002 beziehungsweise von Dezember 2002 bis zu seiner Festnahme am 8. Juli 2005 beschäftigt war. Vor allem in Delmenhorst ergaben Vergleiche von Dienstplänen mit Todesfällen extrem hohe Sterbefallzahlen, wenn Högel in der Schicht war. Bis heute empfinde Högel weder Mitgefühl noch Empathie, beschrieb Schmidt seinen Eindruck. In Vernehmungen habe er seinen Zustand vor einem Mord als "freudige Erwartungshaltung" beschrieben.

Kritik am Klinikum Delmenhorst

Mit Blick auf das Klinikum Delmenhorst erhob Schmidt Vorwürfe im Umgang mit dem Medikament Gilurytmal, mit dem Högel viele Patienten zu Tode gespritzt haben soll. Der Zugang zu dem Mittel an der Klinik sei sogar 2004 erleichtert worden, obwohl ein hoher Anstieg bei den Bestellungen festgestellt worden sei. Nach einer Entscheidung der Medikamentenkommission der Klinik habe jeder Pfleger das Medikament bestellen können - vorher sei das nur mit Autorisierung eines Arztes möglich gewesen. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. Dann werden weitere Ermittler gehört. dpa