Hildesheim. Ein weiterer Betroffener wirft dem früheren Bischof Heinrich Maria Janssen sexuellen Missbrauch vor. Das Bistum geht den Anschuldigungen nach.

Das Bistum Hildesheim hat einen weiteren Fall von sexuellem Missbrauch öffentlich gemacht. Gegen den ersten in Missbrauchsverdacht geratenen deutschen Bischof, den längst gestorbenen Hildesheimer Altbischof Heinrich Maria Janssen, gibt es einen neuen Vorwurf. Dieser deutet auf einen systematischen Missbrauch von Heimkindern durch Verantwortliche der katholischen Kirche hin, wie das Bistum Hildesheim am Dienstag mitteilte.

Ein Mann, der heute Mitte 70 Jahre alt ist, habe dem Bistum geschildert, dass er Ende der 1950er Jahre als damaliges Heimkind von Bischof Janssen aufgefordert worden sei, sich nackt vor ihm auszuziehen. Der Bischof habe ihn anschließend mit den Worten weggeschickt, er könne ihn nicht gebrauchen.

Missbrauch durch Heimleiter

Zum Bischof gebracht und wieder abgeholt wurde das damalige Heimkind nach seiner Schilderung vom Leiter des damaligen Hildesheimer Kinderheims Bernwardshof, der ihn auch sexuell missbraucht haben soll, ebenso wie ein Priester und ein Kaplan. Beide schon gestorbene Geistliche seien dem Bistum als Missbrauchstäter bekannt, teilte das Bistum auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Der Sprecher des Bistums Volker Bauerfeld sagte, es stehe die Frage im Raum, ob es um ein systematisches Vorgehen der Beschuldigten gehandelt habe. Das müssten weitere Untersuchungen klären.

Schon im Jahr 2015 war der ehemalige Hildesheimer Bischof Janssen unter Verdacht geraten, während seiner Amtszeit zwischen 1957 und 1982 einen Messdiener sexuell missbraucht zu haben.

Bischof Heiner Wilmer nimmt Stellung

Zum aktuellen Fall erklärte der heutige Bischof Heiner Wilmer „Es zerreißt mir das Herz angesichts dessen, was der Betroffene uns mitgeteilt hat. Die schrecklichen Verbrechen haben ihn für sein weiteres Leben schwer gezeichnet. Es macht mich wütend und tief traurig zugleich, dass ihm dies offensichtlich durch Mitarbeitende unserer Kirche angetan worden ist.“ Dass er sich dazu durchgerungen habe, sich den eingerichteten Stellen des Bistums Jahrzehnte nach der Tat zu offenbaren, nötige ihm den „allerhöchsten Respekt“ ab.

Wilmer kündigte an, eine externe Untersuchungsgruppe einzuberufen, um diesen, aber möglicherweise weiterere Fälle sexualisierter Gewalt aufzuarbeiten. Das Gremium könne aus Forensikern und Kriminologen sowie Historikern bestehen.

Treffen in Hannover

Nach Informationen unserer Zeitung findet an diesem Freitag in Hannover ein Treffen zwischen Justizministerin Barbara Havliza (CDU) und den Spitzen der niedersächsischen Bistümer statt. Havliza hatte von der katholischen Kirche die Akteneinsicht gegenüber den zuständigen Staatsanwaltschaften eingefordert und einen Runden Tisch angeregt. Nach Angaben von Sprecher Bauerfeld kooperiere das Bistum vollumfänglich mit der Staatsanwaltschaft Hildesheim. Bislang seien Informationen in sechs Fällen, in denen Priester ihre Macht gegenüber Schutzbefohlenen mutmaßlich ausgenutzt haben sollen, weitergereicht worden.

Ende September hatte die Deutsche Bischofskonferenz Missbrauchszahlen für Deutschland vorgestellt. Eine eigens in Auftrag gegebene Untersuchung ergab Erschreckendes: Zwischen 1946 und 2014 wurden 3677 Minderjährige Opfer sexueller Gewalt. Mindestens 1670 Kirchenmänner werden dieser Verbrechen beschuldigt.

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