Eine 16-Jährige wird nachts auf ihrem Heimweg getötet. Wollte der Täter eine versuchte Vergewaltigung vertuschen? Er schweigt zum Prozessauftakt.

Massive Tritte auf Hals und Kopf, Schläge mit einem 25 Kilo schweren Ast: Die 16-jährige Anna-Lena ist im Juni durch einen Gewaltexzess getötet worden. Ihren mutmaßlichen Mörder lernte sie nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft zufällig kennen. Die blutüberströmte Leiche der Jugendlichen fanden Spaziergänger am nächsten Tag vor einer Grundschule in der Nähe ihrer Wohnung in der Kleinstadt Barsinghausen. Seit Montag steht ein 24-Jähriger wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen vor dem Landgericht Hannover. Zum Prozessauftakt schwieg der muskulöse Mann mit dem grünen, engen T-Shirt und der hellen Jogginghose zu den Vorwürfen. Möglicherweise habe der Angeklagte Anna-Lena getötet, weil der Versuch eines sexuellen Übergriffs gescheitert sei, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Rosenbusch. Das tote Mädchen war mit heruntergezogener Hose und entblößtem Unterleib gefunden worden. Der Richter präsentierte das mutmaßliche Mordwerkzeug im Gerichtssaal: einen 1,30 Meter langen Ast, der eher wie ein Baumstamm aussieht. Der junge Mann versteckt beim Prozessauftakt sein Gesicht nicht. Er war erst wenige Monate vor Anna-Lenas gewaltsamem Tod aus dem Gefängnis entlassen worden und hatte in einem Flüchtlingsheim gewohnt. Laut seinem Jugendfreund hat der in der Dominikanischen Republik geborene 24-Jährige zu seiner Schwester keinen Kontakt. Seine Mutter lebe in der Schweiz. Gegen den inhaftierten Freund, der als Zeuge vernommen wurde, wird wegen Vergewaltigung einer Schülerin ermittelt, kam im Laufe der Verhandlung heraus. «Ich denke jeden Tag an sie», sagte eine 17 Jahre alte Zeugin über Anna-Lena. Sie verbrachte mit der Freundin und ihrem mutmaßlichen Mörder kurz vor der Tat etwa 15 Minuten am Bahnhof des Ortes. Der 24-Jährige habe angeboten, Anna-Lena nach Hause zu bringen, weil er in der Nähe wohne, sagte die Freundin. «Ihr Blick hat gezeigt, dass sie es eigentlich nicht so gern gewollt hat. Ich hätte mitgehen sollen.» Es war kurz nach 1 Uhr sonntagmorgens. Der Angeklagte sei laut, angespannt und aufdringlich gewesen und habe vehement nach einem Joint verlangt, berichtet ein anderer Zeuge. Kurz nach dem Verbrechen machten die beiden Freundinnen, die zuletzt mit Anna-Lena zusammen waren, den Tatverdächtigen ausfindig. Eine andere Freundin hatte ihn zufällig in der Nähe seiner Unterkunft gesehen und ein Handyfoto geschickt. Anders als vor der Tat trug er eine Schiene am Bein. Als eins der Mädchen ihn zur Rede stellte, habe er laut reagiert: «Ich war das nicht! Wie könnt ihr mir so was unterstellen? Das ist Rufmord!» Er habe sich dann aber von der alarmierten Polizei widerstandslos festnehmen lassen. Genau zwei Monate vor Anna-Lenas Tod wurde nur wenige Straßen entfernt in Barsinghausen eine 55-Jährige durch massive Gewalt ums Leben gebracht. Die Staatsanwaltschaft Hannover prüft laut Sprecher Thomas Klinge weiterhin, ob der 24-Jährige auch für dieses Verbrechen verantwortlich sein könnte.