Hannover. Die Demonstrationen in Chemnitz spielen auch bei der Großkundgebung gegen Niedersachsens neues Polizeigesetz am Wochenende eine Rolle.

Zur Protestkundgebung gegen das geplante neue niedersächsische Polizeigesetz erwarten die Organisatoren am kommenden Samstag in Hannover Tausende Demonstranten. Die Resonanz auf den Aufruf des außerparlamentarischen Bündnisses politischer und gesellschaftlicher Gruppen sei stark, erklärte das Aktionskomitee am Dienstag in Hannover. Für die Demo an dem in der Bundesliga spielfreien Tag hätten Fußball-Fans aus allen Teilen des Landes ihre Teilnahme angekündigt. "Wir erwarten Tausende Menschen, die zu einer friedlichen Demonstration nach Hannover kommen", sagte die Bündnis-Sprecherin Juana Zimmermann. Die Organisatoren rechnen mit bis zu 10 000 Demonstranten.

Die Novellierung des Polizeigesetzes gehört zu den zentralen Vorhaben der rot-schwarzen Koalition in Hannover. SPD und CDU hatten in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, dass das neue Gesetz bis zum Jahresende verabschiedet werden soll. Der Protest dagegen entzündet sich an befürchteten massiven Eingriffen in die Bürgerrechte.

Die Demo-Organisatoren kündigten am Dienstag zudem für den 10. November eine weitere Kundgebung an. Obwohl die dreitägige Expertenanhörung im Innenausschuss des Landtags alle Bedenken bestätigt habe, ginge die Landesregierung auf die Einwände kaum ein, sagte der Juso-Landesvorsitzende Jakob Blankenburg. "Das kritisieren wir, deshalb rufen wir am Samstag zum Protest gegen das Gesetz auf und werden darüber hinaus alle rechtlichen Schritte dagegen unterstützen." Das außerparlamentarische Bündnis setzt sich aus rund 120 Gruppen zusammen - vom Chaos Computer Club über politische Nachwuchsorganisationen bis hin zu Fußball-Fanclubs.

Bei den dreitägigen Expertenanhörungen im Innenausschuss hatten im August neben Juristen, Datenschützern und Gewerkschaftern auch Abgeordnete der FDP und der Grünen Kritik vorgebracht. Nach Ansicht vieler Experten müssen ganze Passagen des geplanten Gesetzes gründlich überarbeitet und sogar teilweise eingestampft werden, um sie mit dem Grundgesetz vereinbar zu machen. Der vorgelegte Entwurf sieht eine starke Ausweitung der Befugnisse der Polizei vor, darunter eine bis zu 74-tägige Präventionshaft für Gefährder oder den Einsatz von Schadstoffsoftware zum Ausspähen von Verdächtigen.

Zudem macht der Entwurf der Polizei künftig auch den Weg frei für die Kamera-Überwachung öffentlich zugänglicher Räume, in denen wiederholt Straftaten begangen wurden. Beamte sollen auch mit am Körper getragenen Kameras filmen dürfen. Das geplante Gesetz umfasst auch strengere Meldeauflagen und regelt das Tragen elektronischer Fußfesseln.

Während die Gewerkschaft der Polizei (GdP) den Entwurf begrüßte, kam etwa von der Landesdatenschutzbeauftragten Barbara Thiel heftige Kritik. Die geplanten Regelungen beschnitten unter dem Deckmantel, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen, die Freiheitsrechte der Bürger bis zur Unkenntlichkeit, rügte sie.

Bei der Kundgebung am Samstag sollen nun auch die fremdenfeindlichen Ausschreitungen und Demonstrationen in Chemnitz thematisiert werden. "Das Bündnis versteht sich ja auch als antirassistisch", sagte Timon Dzienus von der Nachwuchsorganisation der Grünen und betonte: "Wir sehen da ein klares polizeiliches Versagen beim Vorgehen gegen Rechts." Durch die Vorgänge dort besteht laut Dzienus aber keine Notwendigkeit für schärfere Gesetze: "Hier läuft eher innerhalb der Strukturen etwas falsch." dpa