Thomas Parr sagt: Eins ist mal sicher, er überlebt mich.

Gestern hat der Tisch meiner Großeltern neue Besitzer bekommen. Gut und gerne 100 Jahre alt ist er und 40 davon hat er mich begleitet. Es ist ja ein bisschen blöd, aber sentimental bin ich schon geworden. Vier Generationen haben bisher daran gesessen und gespeist, gespielt, gestritten und gelacht. Wie viele mögen es künftig sein? Denn eines ist sicher: Mich überlebt der Tisch und die neuen Besitzer voraussichtlich auch. Einige Schicksale, die sich in seiner Gegenwart im Dorf meiner Großeltern ereigneten, haben mir die Alten erzählt. An ihm saß beispielsweise Roger, ein Franzose, der im Zweiten Weltkrieg als Kriegsgefangener in der Stellmacherei meines Großvaters arbeitete. Roger war wie ein Familienmitglied geworden, was streng verboten war. Roger wurde verraten und erschossen. Meine Großeltern wurden ermahnt. Dann saß Paul Bauer an dem Tisch, ein Porzellanmaler aus Fürstenberg, der zu seiner Familie nach Hannover wollte und vorübergehend um Kost und Logis bat. Als Gegenleistung malte er die schönsten Bilder, die jemals bei uns zu Hause hingen. Dann kam die Nachkriegszeit. Meine Großeltern servierten uns Enkeln Eingewecktes und gesundes Gemüse ­– Landleben. In seinem städtischen Leben diskutierten Studenten an ihm, ich schrieb an ihm meine Examensarbeit, und weil wir ein Team waren, wurde ich alt mit ihm. Jetzt zieht er wieder ein Dorf. Das wird ihm gefallen.