Braunschweig. Die Schauspiel-Ikone wird am 12. November mit der „Europa“ für ihre Verdienste um die europäische Filmkunst gewürdigt. Doch das ist nicht alles.

Pandemienachwirkungen, Krieg, Energiekrise, Inflation – all diese Faktoren machen den Kinos zu schaffen. Die Besucherzahlen sind deutlich zurückgegangen. Das Internationale Filmfest Braunschweig will entschlossen dagegenhalten. Nach einer reinen Online-Ausgabe in 2020 und der vorsichtigen Rückkehr in die Säle im vergangenen Jahr setzt das Festival bei seiner 36. Ausgabe vom 7. bis 13. November wieder voll auf Präsenz in den Filmtheatern – mit fast 250 Kurz- und Langfilmen, Gästen, Sonderveranstaltungen und Filmkonzerten. „Wir wollen ein Zeichen setzen und auch die Menschen zurück in die Kinos holen“, sagt Filmfestvereins-VorsitzenderThorsten Rinke.

Dabei sollen auch prominente Gäste helfen. Allen voran: Schauspiel-Ikone Senta Berger, die in diesem Jahr mit dem Hauptpreis des Festivals ausgezeichnet wird, der „Europa“ für herausragende darstellerische Leistungen in der europäischen Filmkultur. Die 81-jährige Österreicherin begann ihre Karriere bereits als Jugendliche und ging mit Anfang 20 nach Hollywood, wo sie mit Kirk Douglas, John Wayne und Frank Sinatra drehte. Ende der 60er Jahre kehrte sie zurück nach Europa und stand unter anderem in Filmen ihres Mannes Michael Verhoeven wie „Wer im Glashaus liebt“ vor der Kamera. Gemeinsam gründeten sie eine Produktionsfirma, die mit Dramen wie „Die weiße Rose“ und „Das schreckliche Mädchen“ erfolgreich war.

Preis-Gala mit Senta Berger im Großen Haus des Staatstheaters

Berger wurde auch als Bühnen-Darstellerin gefeiert, unter anderem als Buhlschaft im „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen. In den 80er Jahren kehrte sie mit der Serie „Kir Royal“ ins Fernsehen zurück und übernahm weitere markante TV-Rollen. Zudem war sie zeitweise als Schlagersängerin erfolgreich. In den 2000er Jahren wurde sie Präsidentin der Deutschen Filmakademie.

Berger wird am Samstagabend, 12. November, im Großen Haus des Staatstheaters ausgezeichnet. Nachmittags ist sie bei einem Podiumsgespräch zu erleben. Zudem würdigt das Filmfest sie mit einer Retrospektive.

Bibiana Beglau kommt zurück nach Braunschweig

Weitere prominente Festivalgäste sind etwa der britische Regisseur Peter Strickland, der in hochästhetischen Streifen wie „Das blutrote Kleid“ und „Flux Gourmet“ Filmkunst mit subtilem Horror verbindet. Ihm ist die Reihe „At Midnight“ gewidmet. Die gebürtige Braunschweigerin Bibiana Beglau, aktuell eine der gefragtesten deutschen Schauspielerinnen, wurde als Jurorin für den Braunschweiger Filmpreis gewonnen. Dotiert mit 5000 Euro, zeichnet er deutschsprachige Newcomer-DarstellerInnen aus.

Beglau selbst ist in dem Filmdrama „Wann kommst du meine Wunden küssen“ in der Reihe „Neue deutschsprachige Filme“ zu sehen. Insgesamt werden rund 150 internationale Gäste erwartet, kündigt die künstlerische Festival-Leiterin Karina Gauerhof an.

Kooperation mit ukrainischen Filmfestivals

Ein besonderer Schwerpunkt sind dieses Jahr Filme aus der Ukraine, die in Kooperation mit dem Odessa International Filmfestival und dem Kiewer Internationalem Kurzfilm-Festival gezeigt werden. „Beide können wegen des Krieges nicht stattfinden“, erläutert Filmfest-Leiterin Gauerhof. Dafür präsentierten die Veranstalter aus Odessa nun eine Auswahl von sieben ukrainischen Produktionen, „ein Best-Of von Filmen, die seit der Unabhängigkeit 1991 entstanden sind“, so Gauerhof. „Oygen Starvation“ etwa erzähle von den schockierenden Erfahrungen eines Rekruten in der sowjetischen Armee, „Atlantis“ aus dem Jahr 2019 vom Krieg in der Ostukraine. Zudem sind eine Reihe ukrainischer Kurzfilme zu sehen.

Während anderswo gespart wird, hat Filmfest-Hauptsponsor Volkswagen Financial Services seine Unterstützung für das Filmfest noch einmal erhöht, unter anderem mit der Aufstockung des „Europa“-Preisgeldes auf 25.000 Euro. „Wir sind mit 17.000 Beschäftigten ein internationaler Arbeitgeber, aber unsere Zentrale ist Braunschweig“, sagt Unternehmenssprecher Stefan Voges. „Das Festival macht die Stadt noch attraktiver, auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und bringt ein bisschen Glamour nach Braunschweig.“

Eröffnung mit Filmkonzert „Safety Last“

Eröffnet wird das Festival traditionell mit einem Filmkonzert. Diesmal begleitet das Staatsorchester am 7. November unter Leitung der Koryphäe Helmut Imig den Harold-Lloyd-Klassiker „Safety Last“ aus dem Jahr 1923 (Das ist der Streifen, an dem der legendäre Komiker sich u.a. an den Zeigern einer Hochhaus-Uhr festklammert). Vorgeführt wird der Stummfilm mit dem nachkomponierten Soundtrack von Carl Davis im größten Saal 8 des Astor-Filmtheaters.

Weitere Filmmusik-Highlights sind etwa das Stummfilmkonzert zu Friedrich Wilhelm Murnaus Grusel-Klassiker „Nosferatu“ (1922) am 8. November im Wolfsburger Scharoun-Theater oder die Weltpremiere von „Drowned Paradise“ am 10. November in der Braunschweiger Michaelis-Kirche: die Berliner Performer Die!Goldstein mixen live Bilder globaler Krisen mit bedrohlichen Sounds.

Wiedersehen mit Brandan Gleeson

Trotz oder gerade wegen der allgemeinen Krisenstimmung wolle das 36. Filmfest mit 89 Lang- und 157 Kurzfilmen aber nicht nur schwere Kost bieten, sondern bewusst einen Akzent mit unterhaltsamen Werken setzen, sagt Leiterin Karina Gauerhof. Sie nennt etwa die irisch-britische Produktion „The Banshees of Inisherin“, der das Team des schwarzhumorigen Kultfilms „Brügge sehen ... und sterben?“ wiedervereint: Unter der Regie von Martin McDonagh spielen Colin Farrell und Brendan Gleeson, „Europa“-Preisträger von 2016, ein skurriles irisches Kumpel-Paar.

Für alle Filmfans, die es in der zweiten Novemberwoche nicht nach Braunschweig schaffen, gibt es übrigens eine kleine Online-Ausgabe: 44 Filme aus dem Programm sind ab dem 7. November online abrufbar.

Zehn Filmfest-Preise mit einem Gesamtwert von 67.000 Euro

Insgesamt vergibt das Filmfest zehn Preise mit einer Gesamt-Dotierung von 67.000 Euro. Zwei davon sind neu: Der Preis „Echt“ würdigt den besten Streifen mit einer queeren Thematik, der Publikumspreis „Die Edda“ den besten Kurzfilm. Etabliert sind der älteste Filmfestpreis „Der Heinrich“ und der „Volkswagen Financial Services Filmpreis“. Beide sind mit 10.000 Euro dotiert und würdigen den oder die besten Filme aus dem Hauptwettbewerb mit zehn Debüt- oder Zweitfilmen europäischer Regisseure. Über den „Heinrich“ entscheidet das Publikum, über den VWFS-Filmpreis eine Fachjury.

Weitere Preise sind der Frauenfilmpreis „Die Tilda“, der „Green Horizons Award“ für Filme zum Thema Nachhaltigkeit, der Jugendpreis „Kinema“ für deutsche und französische Produktionen sowie der Heimspiel-Preis für Produktionen mit regionalem Bezug.

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