Braunschweig. Torsten Sträter schweift gern ab – so auch am Samstagabend in der Volkswagen Halle in Braunschweig. Ein origineller Abend, dem Publikum gefiel es.

Aufmerksamkeit ist eine begrenzte Ressource. Das weiß auch Torsten Sträter. Nach knapp zwei Stunden Programm in der gut gefüllten Volkswagen Halle in Braunschweig sagt er am späten Samstag verständnisvoll: „Sie sind jetzt in der Phase der höflichen Akzeptanz, noch mal aufgerichtet für die letzten Minuten. Dahinter lauert die Phase des Ärgernisses – wo ich spüre, dass Sie nach Hause wollen. Und dann kommt die Verzweiflung.“

Weitere zehn Minuten später stellt er fest: „Mittlerweile könnten Sie genauso gut aus Styropor sein. Ich sehe, dass Sie total müde sind.“ Das Verweigern der üblichen Dramaturgie, unzuverlässige Ankündigungen und das Niedermachen des eigenen Materials – das sind wesentliche Pfeiler seines zweiten Bühnenprogramms „Schnee, der auf Ceran fällt“.

Torsten Sträter in Braunschweig: Das Abschweifen kultiviert

Torsten Sträter ist ausgebildeter Herrenschneider. Er war Verkäufer bei einem Herrenausstatter. Später arbeitete er im Mobilfunkvertrieb und bei einer Spedition. Texte zu schreiben, das war zunächst ein Hobby. 2009 gewann der Ruhrgebietler erstmals bei einem regionalen Poetry-Slam. Inzwischen ist nun ein vielseitiger Beruf daraus geworden, mit erfolgreichen Kurzgeschichten-Büchern, eigener TV- und Radiosendung, Podcast und Engagements als Sprecher. Im Pixar-Trickfilm „Soul“ etwa hört man ihn als Hedgefonds-Manager.

Auf der Bühne kultiviert der Autor und Komiker aktuell das Abschweifen. Typische Sätze: „Das wollte ich ja gar nicht erzählen.“ Oder: „Ich wollte auf was anderes hinaus.“ Ein roter Faden indes taucht nicht auf. Der 55-Jährige schweift von einem nicht vorhandenen Thema ab. Raffiniert.

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Vater und Sohn von Sträter kommen nicht mehr vor – eigentlich

In der ersten Stunde berichtet er, was alles nicht mehr im Programm vorkommt, das ja nun durch Corona schon eine Weile liege. Sein Sohn zum Beispiel möchte nicht mehr erwähnt werden. Sein Vater imitiere ihn zu schlecht. Er sei nun 19, habe Abi und Führerschein bestanden. Sträter erzählt noch so einiges anderes über ihn – mit vielen Abstechern, etwa zur eigenen Prüfung beim Fahrschulbataillon in Hannover. „Um 11 ging es los, um 11.08 Uhr war ich durchgefallen. Der Prüfer sagte: Wir machen um 12 noch eine Prüfung, wir brauchen dich morgen als Fahrer.“

Auch sein Vater komme nicht mehr in der Show vor. Der habe ihn oft „übers Knie gelegt“. „Er war nicht mehr der Jüngste. Man hätte sagen müssen: Ich verstehe, dass du zornig bist, aber geht das überhaupt mit deinem Knie?“ Das Programm hat einige bittere Pointen. Vater war einer von den späten Vätern, so Sträter – „nicht zu verwechseln mit später Feta. Das ist verdorbener Ziegenkäse.“

Ein origineller Abend mit Torsten Sträter endet mit kräftigem Beifall

Durch solche Sprünge gelingt es ihm problemlos, über Snacks im Kino und das Gendern zu erzählen, über Sätze, die man zu Polizisten lieber nicht sagt, den Tesla-Wächtermodus und die Behandlung seiner Hämmorhoiden – kombiniert mit lässig hingeworfenen Wortspielen und Punchlines. In der zweiten Hälfte liest er zudem eine Kurzgeschichte vor: über die Kündigung von Versicherungen.

Die Erzählungen, vorgetragen mit kerniger Stimme, unterhalten gut. Zum Schluss lässt die Pointendichte indes deutlich nach. Sträter verabschiedet sich mit den treffenden Worten: „Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist, und das ist schon eine halbe Stunde her.“ Kräftiger Schlussbeifall für einen originellen Abend.