Braunschweig. Gregor Zöllig schickt im Staatstheater seine Tänzer zu Schuberts Liedzyklus auf den Weg gen Selbsterkenntnis.

Während Jazzbesen schneeweiche Verwehung rascheln und kratzige Einzeltöne der Geigen frostig erklirren, kämpft die Einsame mit sich selbst, boxt sich in den Bauch, um den Liebes- und Weltschmerz zu übertönen. Doch der Fremden sind mehr in Gregor Zölligs Tanzfassung der „Winterreise“. Auf weißer Grundfläche wirbeln sie herein und suchen ihr Stückchen Selbstvergewisserung in windiger, von Zivilisation und metaphysischen Tröstungen befreiter Zeit. Eine tritt auf dem Rücken liegend mit den Füßen in die Luft, eine balanciert und kippelt am Rande der Spielfläche, einer rennt mit dem Kopf gegen den milchigen Vorhang, hinter dem sich Geheimnisse, Erinnerungen, alte Lieben bergen.

„Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus.“ Das Lebensgefühl des Dichters Wilhelm Müller, das Franz Schubert so kongenial im Liedzyklus vertont und Hans Zender in seiner Orchestrierung nochmal modern zugespitzt hat, scheint ein Vorbote des Existentialismus. Der Wanderer ist der grundsätzlich Fremde. Auf die Erde geworfen ohne Sinn, dort Sinn suchend in menschlichem Trotz gegen das Nichts, quasi aus einer hochmütigen Revolte von Herz und Verstand heraus. „Lustig in die Welt hinein gegen Wind und Wetter! Will kein Gott auf Erden sein, sind wir selber Götter!“