Der preisgekrönte Dichter Arne Rautenberg erklärt, wie er Gedichte macht.

Viele Menschen erfreuen sich an der Schönheit und Sprachkraft von Gedichten. Aber wie entstehen Gedichte eigentlich? Arne Rautenberg schreibt Gedichte und Geschichten für Kinder und Erwachsene. Er wurde mit einem Kinderlyrikpreis ausgezeichnet und findet: „Ein gutes Gedicht kann dich zum Staunen bringen.“

Wie sind Sie selbst Dichter geworden?

Ich wollte eigentlich Künstler werden, deswegen habe ich mit 14 Jahren angefangen, zu malen und zu zeichnen. Doch dann begann ich, Gedichte zu lesen und schließlich im Alter von 19 Jahren auch selbst welche zu schreiben. Das ist nun schon wieder 31 Jahre her. Jetzt wissen alle, wie alt ich bin, oder?

Wie entstehen Ihre Gedichte?

Meistens schreibe ich in der Nacht, wenn meine Frau und meine Kinder schlafen. Wenn kein Telefon und kein Handy mehr klingelt, wenn keine E-Mails, keine SMS und keine Whatsapp-Nachrichten mehr kommen. Wenn niemand mehr etwas von mir will. Dann wird es ganz still in meinem Kopf. Und dann kommen so langsam die guten Ideen, die ich aufschreibe. Manchmal fliegt mir ein schönes Wort zu, wie „Regenbogenforelle“. Oder ich bekomme eine gute erste Zeile zu fassen, wie „Rotkäppchen fliegt Rakete“, oder ich habe einfach eine Idee. Zum Beispiel fällt mir ein, wo alle Nacktschnecken hinkriechen wollen: zum FKK-Strand.

Was macht am meisten Spaß beim Gedichteschreiben?

Es ist das Gefühl, zu merken, dass man sich von sich selber überraschen lassen kann. Manchmal wundere ich mich darüber, was mir alles so einfällt. Und ich bin neugierig darauf, was mir noch alles einfallen wird.

Sind Gedichte mit Reimen die besseren Gedichte?

Gedichte müssen sich nicht reimen. Ich schreibe viele Gedichte, die sich nicht reimen. Doch der Reim ist auch toll. Er ist wie ein Klebstoff, der die verrücktesten Ideen in einem Gedicht zusammenhalten kann. Außerdem kann man sich gereimte Gedichte besser merken, das gefällt mir. Und gereimte Gedichte erinnern daran, wo die Dichtkunst herkommt: vom Lied. Ganz früher wurden Gedichte nämlich gesungen. Und auch heute noch sind die Texte in Liedern ja meist gereimt.

Denken Dichter in Reimen?

Also ich tue das nicht. Ich denke lieber in guten Ideen.

Was macht ein Gedicht richtig gut?

Ein gutes Gedicht kann dich zum Staunen bringen. Plötzlich wunderst du dich darüber, dass die Dinge so sind, wie sie sind. Und beginnst, darüber nachzudenken. Ich meine, das ist das Wichtige bei Gedichten: dass sie Lust zum Denken machen.

Worüber kann man unmöglich ein Gedicht schreiben?

Das Beste an Gedichten ist, dass es keine Regeln für sie gibt. Man kann über alles Gedichte schreiben. Und man kann sie so schreiben, wie man will. Ich schreibe zum Beispiel auch Einwortgedichte. Das sind die kürzesten Gedichte der Welt. Sie bestehen aus einem Titel und einem Wort, fertig. Zum Beispiel lautet der Titel „Schneeflocke“ – und das Einwortgedicht darunter geht so: „Zunge“.