Gifhorn. Der junge Gifhorner wurde als Mädchen geboren. Über den Weg in sein neues Leben spricht er offen.

Glücklich zeigt Sascha seinen neuen Personalausweis. Seit dem 7. Februar dieses Jahres heißt er offiziell Sascha Maurice. Endlich wird er so genannt, wie er sich fühlt: als Mann. „Pride“ (Stolz) steht auch auf seiner Cap. Und stolz ist Sascha darauf, was er bisher geschafft hat. Denn geboren ist Sascha aus Gifhorn vor 23 Jahren als Mädchen mit dem Namen Sabrina. Doch schon früh fühlt er sich mehr als Junge, hasst Kleider und kauft lieber in der Männerabteilung ein. Damit eckt er an, stößt auf Unverständnis. Seine Mutter hofft, dass es nur eine Phase ist. Doch das Gefühl im falschen Körper geboren zu sein, bleibt – und wird stärker. Sascha bindet sich die Brüste ab, um seine Weiblichkeit zu verbergen. Das Gefühl, sich zu verstellen und nicht er selbst sein zu können, wird schließlich unerträglich. „Es hat mich innerlich aufgefressen“, beschreibt er seine damalige Gefühlswelt.

Im Februar vergangenen Jahres fand er schließlich den Mut, sich zu outen. Es war wie ein Befreiungsschlag, erinnert er sich. Er wagte sogar einen noch extremeren Schritt und machte sein Bekenntnis, ein Mann im Frauenkörper zu sein, öffentlich. „Ich hatte Angst, meine Familie und Freunde zu verlieren“, berichtet er. Der Bericht über Sascha in unserer Zeitung schlug hohe Wellen im Internet. Die meisten zollten ihm Respekt für diesen Schritt. In Gifhorn gab es viele positive Rückmeldungen auf den Zeitungsartikel. Kommentare wie: „Wie, du bist noch im Mädchenkörper? Das sieht man dir gar nicht an!“ sieht Sascha als Kompliment. Doch es gab auch negative Rückmeldung erzählt Sascha. „Warum muss man damit an die Öffentlichkeit gehen!?“ hieß es zum Beispiel in einer privaten Facebook-Nachricht. Doch Sascha lässt sich nicht von solchen „Hatern“ unterkriegen. „Wir sind normale Menschen, die in der Öffentlichkeit noch immer unterdrückt werden“, klagt der 23-Jährige an.

Von Rückschlägen lässt Sascha sich nicht entmutigen

Heute, ein Jahr später, ist er einige Schritte weiter auf dem Weg von einer Frau zum Mann. „Die Namensänderung hat eine große Bedeutung für mich“, erklärt Sascha. So fühle er sich noch mehr als Mann. Zweifel habe er in dem Jahr seit seinem Outing keine mehr gehabt. Auch die beiden Gutachterinnen, die den Antrag auf Namensänderung geprüft haben, hatten keine Bedenken. In stundenlangen Sitzungen musste er sich von ihnen ausfragen lassen. Die Ergebnisse sammelt er mit den vielen anderen Anträgen in einem dicken Ordner. Der lange steinige Weg durch den Bürokratiedschungel mache ihn zielorientierter, erzählt der junge Mann, der ganz in Schwarz gekleidet ist. „Es ist viel und langwierig, aber notwendig und absolut gerechtfertigt“, meint Sascha.

Auf die lang ersehnte Testosteron-Therapie muss er aus gesundheitlichen Gründen jedoch noch warten. Das sei natürlich ein Rückschlag gewesen. Nun dauert es noch länger. Denn erst nach sechsmonatiger Hormontherapie kann es mit den geschlechtsangleichenden Operationen losgehen. „Doch ich komme meinem Ziel immer näher und das gibt mir Kraft.“ Angst vor den komplizierten OPs habe er keine. Auf den Bartwuchs und den Stimmbruch freue er sich am meisten. In einer App hat er sich schon einmal probeweise einen Bart stehen lassen. „Vollbart steht mir nicht so, aber ein stoppeliger Dreitagebart ist gar nicht so schlecht“, findet Sascha.

Der offene Umgang mit der Transsexualität hat geholfen

Der offensive Umgang mit seiner Transsexualität hat Sascha verändert. „Meine Freunde sagen, ich sei offener geworden.“ Das überwiegend positive Feedback in den sozialen Netzwerken habe ihn ermutigt. „Da bekomme ich heute noch Gänsehaut“, erzählt er lachend. Dass es ihm so gut geht, hat auch mit seiner neuen „Trans-Familie“ zu tun. „Es war eine schöne Erfahrung, die mir gezeigt hat: Ich bin nicht allein.“ Es haben sich auf den Bericht im Gifhorner Lokalteil unserer Zeitung einige Trans-Männer gemeldet, die sich nun regelmäßig austauschen. „Wir sind eine richtige Trans-Familie geworden“, so Sascha. „Wir unterstützen uns gegenseitig und berichten fast täglich über unsere Fortschritte.“

Sascha hat sich für einen sehr öffentlichen Weg seiner Umwandlung von Frau zum Mann entschieden. Begonnen mit dem Outing auf Facebook, dokumentiert er seine Entwicklung bei Instagram und Youtube. In seinen Videos beschreibt er seinen Weg aus seiner Perspektive. So will er anderen Transgendern auf ihrem Weg helfen. Er rät Menschen, die sich im falschen Körper fühlen, dass sie sich zuerst ihren Freunden anvertrauen. Dann könnten die ihnen Rückhalt geben, wenn sie es der Familie sagen. „Mir haben meine Freunde sehr geholfen. Doch jeder sollte selber wissen, wo er anfängt“, meint Sascha. Sein Freundeskreis hat sich mit dem Outing jedoch auch verändert. Einige hatten Probleme, Sascha als Jungen zu sehen. Dafür kamen andere, darunter die „Trans-Familie“, hinzu. Zu seiner Familie hat Sascha keinen Kontakt mehr. Das habe nicht nur mit seinem Outing zu tun. Doch es war ein Punkt. Kommentare wie: „Warum willst du denn ein Junge sein – du warst doch so glücklich als Frau“, haben Sascha zu diesem Schritt gebracht.

Dreht sich in Saschas Leben denn alles nur um Transgender? Auf der einen Seite gebe es das Trans-Thema und auf der anderen das Privatleben, erklärt er. Da geht er gerne Reiten, trifft seine Freunde und arbeitet auf seinen Traumberuf hin: Rettungssanitäter.

Eines hat Sascha in dem Jahr als geouteter Trans-Mann noch gelernt: Man sollte sich sicher sein, im falschen Körper geboren zu sein. Es gab ein Mädchen in der Transgender-Gruppe, die meinte, ein Mann zu sein. Kurze Zeit später schminkte sie sich wieder und sprach von einer Phase. „Das schadet natürlich unserer Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit“, erklärt Sascha.

Dennoch würde er immer wieder diesen offensiven Pfad einschlagen. „Das Thema darf nicht länger verschwiegen werden, denn so viele Menschen leiden darunter“, erklärt Sascha. Er ist froh, dass die Öffentlichkeit so positiv mit seiner Entscheidung umgeht. Auch mit seinem Ergänzungsausweis hat er gute Erfahrung gemacht. Er diente als Übergangslösung, bis der neue Personalausweis bewilligt war. Als ein Busfahrer einmal nicht genau wusste, wie das dann mit der neuen Monatskarte funktioniert, hat sich eine Angestellte der Gifhorner Verkehrsgesellschaft kurzerhand im Internet schlau gemacht. „Das fand ich sehr nett“, erzählt Sascha. Ebenso unkompliziert sei das Outing mit seinen neuen Vermietern abgelaufen. Kennengelernt haben sie ihn noch als Sabrina, eingezogen ist er als Sascha. Doch auch sie haben es „astrein aufgenommen.“

Respekt und Ehrlichkeit

helfen am meisten

Ist unsere Gesellschaft also tatsächlich offener und toleranter geworden? Für Sascha ist sie das zumindest. Und er hofft, dass sie weiterhin so positiv mit seiner Geschlechtsangleichung umgeht und ihm mit Respekt und Ehrlichkeit begegnet.