Berlin. Es muss nicht immer Chemie sein. Bei Migräne oder Übergewicht helfen Studien zufolge auch Naturheilmittel.

Jeder vierte Deutsche schluckt täglich drei Medikamente oder mehr. Doch bei häufigen Zivilisationserkrankungen wie Übergewicht, Migräne oder Depression helfen Chemiekeulen nur begrenzt oder mit zahlreichen Nebenwirkungen. Naturheilmittel wie Gewürze und Blüten können ihre Wirkung unterstützen oder teils sogar als milde Alternative dienen. Neue Studien belegen ihre Wirkung.

Mit grünem Tee und Paprika- extrakt gegen Übergewicht

Wie können Arzneipflanzen schwer Übergewichtigen dabei helfen, abzunehmen? Mit dieser Frage beschäftigten sich iranische Forscher der Medizinischen Fakultät der Universität von Kashan. Sie zeigten in einer Studie, dass Extrakte aus grünem Tee, Capsaicin (Bestandteil von Paprika) und Ingwer sich nicht nur günstig auf das Gewicht, sondern auch auf den Insulin- und Fettstoffwechsel auswirken.

Dafür wurden 50 übergewichtige Frauen in zwei Gruppen eingeteilt. Gruppe A erhielt über zwei Monate hinweg zu zwei Mahlzeiten am Tag eine Mischung aus 125 Milligramm grünem Tee, 25 Milligramm Capsaicin und 50 Milligramm Ingwer. Gruppe B bekam ein Placebo-Präparat. Nach acht Wochen zeigte sich, dass die Frauen, die die Pflanzenwirkstoffe erhalten hatten, anderthalb bis 1,8 Kilogramm abgenommen hatten. Die anderen hatten zum Teil sogar 400 Gramm bis 1,2 Kilogramm zugenommen. Auch der Body-Mass-Index der Teilnehmer aus Gruppe A konnte um bis zu 0,7 reduziert werden. Zusätzlich wurde der Insulinstoffwechsel und die Körperabwehr verbessert.

„Grüner Tee in hoher Qualität, vor allem der sogenannte Gunpowder, wirkt entwässernd und kurbelt die Aktivität der Nieren an – dazu gibt es bereits viele Studien“, erklärt Linda Tan, Allgemeinmedizinerin und Leiterin des Zentrums für Naturheilkunde und Schmerztherapie in Düsseldorf. Sie hat unter anderem acht Jahre im Knappschafts-Krankenhaus in Essen am Lehrstuhl für Naturheilkunde der Universität Duisburg-Essen gearbeitet. Gewürze wie Capsaicin und Ingwer können nach Tans Erfahrung den Stoffwechsel anregen: „Auf diese Weise werden sie auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin eingesetzt.“

Safran kann die Stimmung aufhellen

Safran ist ein teures Gewürz und zugleich Heilmittel gegen depressive Stimmungen. Für Tan ein bislang unbekanntes Anwendungsgebiet: „Ich kenne den Effekt der Flavonoide, also der Farbstoffe, allerdings eher aus der Behandlung von Entzündungen zum Beispiel bei Arthrose.“

Marin Prodanov vom Institut für Ernährungswissenschaften im spanischen Madrid konnte mit australischen und englischen Kollegen aber belegen, dass reiner Safranextrakt mit den Bestandteilen Crocin und Safranal die Stimmung verbessert.

An der Studie nahmen 128 Menschen teil, die von sich selbst berichteten, sie seien depressiv gestimmt. Über vier Wochen erhielten sie entweder Safranextrakt in einer Dosierung von 28 oder 22 Milligramm pro Tag oder ein Placebo. Dabei wussten die Teilnehmer nicht, welche der beiden Optionen sie bekamen. Ihr allgemeiner Stimmungszustand (Profile of mood States, POMS) und Hinweise auf Depressionen und Ängste wurden ebenso wie die Schlafqualität unter die Lupe genommen. Die Wissenschaftler stellten eine Linderung der negativen Stimmung bei der höchsten Dosierung (28 Milligramm Safranextrakt pro Tag) fest, auch Stresssymptome und Ängste ließen nach. Mit der niedrigeren Dosis ergab sich laut der Forscher kein Effekt.

Vorherige Studien hatten bereits eine Wirkung von Safran in Kombination mit anderen Substanzen – beispielsweise Curcumin – bei klinischen Depressionen gezeigt. Safranextrakt kann also möglicherweise als Nahrungsergänzungsmittel bei leichteren depressiven Symptomen helfen und bei stärkeren Depressionen zur Linderung beitragen.

Rosenhonig

gegen Migräne

Migräne quälte schon die Menschen der Antike und wurde von Ärzten wie dem persischen Gelehrten Avicenna (980–1032) beschrieben. Studien zeigen jetzt, dass einige der medizinischen Pflanzen, die dieser zur Behandlung empfahl, auch nach heutigen medizinisch-wissenschaftlichen Standards Effekte haben, etwa bei der Schmerzlinderung. So wird Gol-e-ghand, eine Rosenhonigzubereitung, im Iran häufig als Mittel verschrieben. Wissenschaftler der Abteilung für Traditionelle Medizin der Shahid-Beheshti-Universität für Medizinwissenschaften in Teheran untersuchten die Wirkung bei 19 Patienten mit Migräne in einer Studie mit zwei Phasen: Zunächst erhielten die Patienten nur ein Medikament, anschließend zusätzlich Rosenhonig. Vor und nach den Behandlungsphasen wurden Schwere, Dauer und Häufigkeit der Kopfschmerzen untersucht.

Daraus ergab sich, dass Patienten, die den Rosenhonig eingenommen hatten, seltener Migräne hatten. Im Durchschnitt folgte aus der ergänzenden Behandlung laut der Forscher mehr als ein migränefreier Tag im Monat, Schwere und Dauer der Anfälle verbesserten sich dagegen nicht.

Naturheilkundespezialistin Tan vermutet, dass der Rosenduft Einfluss auf das vegetative Nervensystem hat: „Der Wohlgeruch wirkt sicher ähnlich wie Lavendel, der in der Migränevorbeugung für Kompressen verwendet wird, die man auf die Stirn oder in den Nacken legt.“ Naturheilkundler setzen auch Minzöl ein, wenn sich eine Kopfschmerzattacke anbahnt. Dass die Rosenblüten mit Honig vermischt werden, könnte dem Heißhunger auf Süßes geschuldet sein, den auch viele ihrer Patienten vor einer Migräneattacke verspüren, vermutet Tan.