Helmstedt. Amtstexte bereiten Menschen mit geistigen oder Lern-Behinderungen oft Probleme. Ihr Besuch bei der Kreisverwaltung soll Verständnis wecken.

Zur Eindämmung der Corona-Pandemie werden laufend neue Verordnungen erlassen. Sie zu verstehen, ist oft nicht leicht – das gilt erst recht für Menschen mit geistigen oder Lern-Behinderungen. Darauf weist die Lebenshilfe Helmstedt-Wolfenbüttel hin.

Um auf das Problem mit der Amtssprache aufmerksam zu machen, hat die gemeinnützige Gesellschaft eine Aktion unter dem Motto „Wir verstehen nur Bahnhof“ gestartet. Dafür überreichten Lebenshilfe-Vertreter jetzt Helmstedts Landrat Gerhard Radeck unter anderem 50 Schlüsselanhänger, die unterschiedliche Gebärden erklären.

Protest auf die leise Art

„Eigentlich wollten wir zum europäischen Protesttag für Menschen mit Behinderungen in der Fußgängerzone die Bevölkerung direkt ansprechen“, berichtet Axel Koßmann, Öffentlichkeitsbeauftragter der Lebenshilfe. Diese Veranstaltung zum 5. Mai 2020 mussten die Organisatoren aber Pandemie-bedingt absagen. Jetzt holten sie die Aktion im kleineren Rahmen direkt beim Landrat nach.

Sie überreichten Schlüsselanhänger für Mitarbeiter der Kreisverwaltung, die der Berufsbildungsbereich der Wolfenbütteler Werkstätten hergestellt hat. Diese erklären die 100 wichtigsten Gebärden mithilfe eines Symbols auf der Rückseite. Zudem hatten die Lebenshilfe-Vertreter mehrere Exemplare des „Ohne-Wörter-Buchs“ als Präsent dabei – eine weitere Hilfe, um Kommunikationsprobleme aus dem Weg zu räumen.

Sprache voller Barrieren

Im Inklusionsplan des Landkreises Helmstedt wird ausdrücklich auf die Umsetzung einer barrierefreien Kommunikation hingewiesen. „Für Menschen, die kognitiv eingeschränkt sind, steckt die Amtssprache voller Hindernisse“, sagt Koßmann. Viele dieser Menschen erhalten zum Beispiel Grundsicherung. „Den Bescheid dazu versteht aber meist nur der Sachbearbeiter selbst. Er steckt voller Beispiele für Amtssprache, die nicht jedem geläufig sind“, sagt Koßmann.

„Das Ziel muss es sein, solche Amtsvorgänge in leichter Sprache zu vermitteln“, betont Henrike Schirren, Projektkoordinatorin der Lebenshilfe. Dabei müssten die Betroffenen mit einbezogen werden. „Wenn wir bei der Lebenshilfe Texte in leichte Sprache übersetzen, wird das stets von einer Lesegruppe, die nur aus Menschen mit kognitiven Einschränkungen besteht, geprüft“, so Schirren.

Verständnis geweckt

Die Verwaltungsspitze des Landkreises nahm die Aktion und die prall gefüllten Tüten wohlwollend entgegen. „In puncto leichter Sprache stehen wir noch am Anfang“, räumte Landrat Gerhard Radeck ein. Er lobte den Schritt der Lebenshilfe, auf Schwierigkeiten der Textvermittlung aufmerksam zu machen. Solche Klippen seien auch in der Verwaltung schon diskutiert worden. „Unsere Juristen haben mir dann erklärt, dass leichte Sprache gerade in Verordnungen nicht immer umsetzbar ist – aber ich finde, wir sollten es künftig wenigstens mal mit verständlicher Sprache versuchen.“

Sabine Kretschmann als Leiterin des Geschäftsbereiches Soziales regte an, solche kniffligen Texte juristisch wasserdicht zu lassen, sie aber durch Erklärungen in leichter Sprache zu ergänzen und zu verdeutlichen.