Helmstedt. Um die Zukunft des Sports zu sichern, muss in die Infrastruktur investiert werden.

Sport im Landkreis Helmstedt, das ist eine Geschichte mit vielen Widersprüchen, mit Positivem wie Negativem – und mit einer Perspektive, die zumindest vom Ansatz her die Hoffnung auf Verbesserungen zulässt. Laut Statistik des Landessportbundes zählten die 161 Vereine im Kreisgebiet zum Ende des Jahres 2017 knapp 34.000 Mitglieder. Organisiert wird der Sport auf Kreisebene über die Fachverbände der einzelnen Sportarten und vor Ort, in den Städten und Dörfern, von vielen Ehrenamtlichen in den Vereinsvorständen und Hunderten von Übungsleitern und Trainern. Die Existenz von Sport als Anbieter von Bewegungsangeboten für die Bevölkerung wird fast ausschließlich von Ehrenamtlichen garantiert. Für den Bau und die Erhaltung der Sportstätten sind oft die Kommunen verantwortlich. Es gibt aber auch Vereine im Kreisgebiet, die ihre Sportstätten aus der eigenen Kasse finanzieren. Hinzu kommen Fördermittel des Landes.

Über den aktuellen Zustand des Sports, dessen Probleme und Herausforderungen, sowie über die Perspektiven der Vereine haben wir mit Jürgen Nitsche, dem Vorsitzenden des Kreissportbundes (KSB), und mit Martin Roth, KSB-Referent für Sport- und Organisationsentwicklung, gesprochen.

Herr Nitsche, wie groß ist der Investitionsstau im Bereich der Sportstätten im Landkreis insgesamt?

Die Zahlen von 141 der insgesamt 161 Sportvereine mit 232 Sportanlagen, bei der Bestandserhebung zu Jahresbeginn ermittelt, liegen uns vor. Ein Investitionsbedarf in Höhe von 7,9 Millionen Euro wurde für 76 Vereine mit eigenen Anlagen für die kommenden zehn Jahre auf Grundlage der Basiswerte hochgerechnet. Dabei handelt es sich ausschließlich um Maßnahmen für vorhandene Sportanlagen, kommunale Sportstätten blieben unberücksichtigt. Der Investitionsbedarf dürfte dafür nach einer ersten Schätzung mindestens genauso hoch sein.

Wie wirkt sich die jüngst beschlossene Wiederaufnahme der Sportstättenförderung aus?

Nitsche: Aktuell hat der Landkreis 150.000 Euro für 2018 bereit gestellt und danach sollen es jährlich unter Einbeziehung der Kommunen 100.000 Euro werden, was bei der sogenannten Drittelfinanzierung mit LSB–Mitteln und Eigenanteil zusammen 300.000 Euro bedeuten würde. Dies hochgerechnet auf zehn Jahre beinhaltet, bei vorausgesetzt voller Ausschöpfung der Mittel, ein Volumen von 3 Millionen Euro. Somit ist der Haushaltsansatz viel zu niedrig. Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch, dass beispielsweise in Velpke ein weit höherer Betrag aktuell beschlossen wurde, was am Ende ein positives Ergebnis bringen würde.

Welche Auswirkungen auf das Sportangebot der Vereine haben die in den letzten Jahren ausgebliebenen Sanierungsmaßnahmen?

Nitsche: Bezüglich der Vereinsentwicklung lässt sich ein Trend feststellen. Es werden unattraktive Vereinsangebote zu Verlusten bei Vereinsmitgliedschaften führen, die Einnahmen verringern sich, Kosten steigen und ehrenamtliches Engagement lässt nach.

Welche Möglichkeiten hat der KSB, um die Vereine bei möglichen Bauvorhaben zu unterstützen?

Nitsche: Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch, dass die Mittelverteilung beim Landessportbund derzeit auf dem Prüfstand steht, um den am schlechtesten ausgestatteten Sportbünden bessere Förderungsmöglichkeiten einzuräumen. Seitens des KSB gibt es das Beratungsangebot durch unseren langjährigen Ausschuss-Vorsitzenden Hartmut Thiele, der Sondierungsgespräche anbietet und auch bei der Antragsgestaltung behilflich ist.

Herr Roth, ist es notwendig, dass zur Sicherung eines attraktiven Sportangebots Vereine fusionieren, stehen konkrete Fusionen an?

Um attraktive und zeitgemäße Sportangebote vorzuhalten, müssen Übungsleiterinnen und Übungsleiter gefunden werden und fortlaufend aus- und weitergebildet werden. Attraktive Rahmenbedingungen im Verein – gute Vorstandsstrukturen, Sportstätten, Honorierung, Weiterbildungssysteme – erhöhen die Chancen, gut qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen und dauerhaft zu halten. Das wiederum steigert die Angebotsqualität des Vereins und die Chance, Mitglieder zu gewinnen oder dauerhaft zu binden. Eine Fusion ist also nicht das Allheilmittel! Die genaue Analyse der fusionswilligen Vereine muss Aufschluss darüber bringen, ob es einen tatsächlichen Mehrwert für alle Mitglieder, im Falle einer Fusion gibt. Mit Sicherheit bestehen bezüglich von Fusionen eine Reihe von Überlegungen bei Vereinen im Landkreis und auch erste Vorgespräche hat es gegeben. In der Regel ist das aber ein langfristiger und häufig auch langwieriger Prozess, der von den Mitgliedern des Vereins mitgetragen und entschieden werden muss.

Welche Rolle könnten strukturelle Veränderungen zur Attraktivitätssteigerung in den Vereinen spielen?

Roth: Analog zu den gesellschaftlichen Veränderungen ist auch die Sportvereinslandschaft im Wandel. Etwa zwei Drittel aller Sportvereine in Niedersachsen hat weniger als 300 Mitglieder. Häufig können diese Sportvereine aufgrund ihrer ehrenamtlichen Strukturen nicht oder erst verspätet auf Veränderungen reagieren. Vieles, was vorher jahrzehntelang funktioniert hat, ist auf einmal nicht mehr attraktiv. Die klassischen Spielsportarten wie Fußball rücken zunehmend in den Hintergrund und gesundheitsorientierte Angebote spielen insbesondere durch den demografischen Wandel eine immer größere Rolle. Für den Sportverein ist es zum Teil überlebenswichtig, immer wieder das Angebot zu überprüfen und sich klar auszurichten. Dabei muss man aber nicht jeden Trend mitmachen!