Clausthal-Zellerfeld. Etwa 90 Luchse sind zur Zeit im Harz unterwegs. Darunter auch etwa 35 Jungtiere - die abwandern werden, sobald sie alt genug sind.

Weil inzwischen alle Reviere im Harz besetzt sind, müssen immer mehr Luchse in andere Regionen abwandern. Er erwarte, dass sich im Frühjahr wieder zahlreiche Jungtiere auf den Weg machen, sagte der Leiter des Luchs-Projekts beim Nationalpark Harz, Ole Anders.

Derzeit streifen nach seinen Angaben etwa 90 Raubkatzen durch das Mittelgebirge. Dabei handele es sich um rund 55 ältere und etwa 35 jüngere, noch von ihren Müttern geführte Tiere, schreibt der Experte im aktuellen Landesjagdbericht. „Die überlebenden Jungtiere werden abwandern“, sagte Anders.

Kein Platz in der Nachbarschaft

Er gehe davon aus, dass sie zunehmend auch Reviere für sich erobern müssen, die nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zum Harz liegen. Denn auch dort seien vielerorts bereits Luchse heimisch. In den vergangenen Jahren waren die Raubkatzen unter anderem im Solling, im nordhessischen Kaufunger Wald und im Leinebergland aufgetaucht. Einzelne männliche Harz-Luchse sind sogar schon sehr viel weiter gewandert.

So schaffte es im vergangenen Jahr ein Tier bis in die Altmark in Sachsen-Anhalt (Luftlinie 120 Kilometer). Ein Harzer Luchs lief bis in den bayerischen Frankenwald (160 Kilometer Luftlinie). Und eine dritte Raubkatze erreichte sogar den Tagebau Welzow-Süd in Brandenburg (Luftlinie 280 Kilometer). „Diese Rekordkuder sorgen zwar für Schlagzeilen“, sagte Anders. „Sie bestimmen aber nicht die Ausbreitungsgeschwindigkeit.“

Ausbreitung nimmt zu

Diese werde von den deutlich weniger wanderfreudigen Weibchen bestimmt. Aber auch so habe sich das Verbreitungsgebiet der Harzer Luchse von etwa 2500 Quadratkilometern im Jahr 2010, was nur wenig mehr als der Größe des Harzes entspricht, auf mittlerweile rund 7000 Quadratkilometer fast verdreifacht.

Die erfolgreiche Ausbreitung der Harzer Luchse hatte ihren Ausgang im Jahr 2000 genommen. Damals waren die ersten von 24 aus Gehegen stammenden Luchse freigelassen worden, die im Rahmen des Wiederansiedlungsprogramms bis zum Jahr 2006 nach und nach ausgewildert wurden. Wie viele Luchse seither im Harz und angrenzenden Regionen in Freiheit geboren wurden, lasse sich nur schwer schätzen, sagte Anders. Fest stehe aber, dass die Ausbreitung seit Jahren an Geschwindigkeit zunehme.

Rehe auf dem Speiseplan

Um mehr über ihre Luchse zu erfahren, haben die Mitarbeiter des Nationalparks in den vergangenen Jahren insgesamt 21 Tiere mit Sender-Halsbändern ausgerüstet. Die Tiere wurden in Lebendfallen gefangen, narkotisiert, mit Sendern versehen und wieder in die Freiheit entlassen. Aus den auf diese Weise gewonnenen Daten und mit Hilfe von systematisch installierten Wildkameras haben die Nationalpark-Mitarbeiter unter anderem etwas über die Größe der einzelnen Reviere erfahren.

Danach leben im Harz je 100 Quadratkilometer zwei bis drei selbstständige, also nicht von einem Muttertier geführte Luchse. Dabei sind die Reviere im weniger schroffen und klimatisch milderen Ostharz dichter bevölkert als die Reviere im Westen des Mittelgebirges. Die Sender-Halsbänder haben es den Fachleuten auch ermöglicht, Luchs-Risse aufzuspüren. Danach fressen die Raubkatzen vor allem Rehe. In großen Revieren würden im Jahr bis zu acht Prozent des Bestands gerissen, schreibt der Wildbiologe Egbert Strauß im aktuellen Landesjagdbericht.

Im rotwild-reichen Westharz fressen die Raubkatzen auch in erheblichem Umfang Hirschkälber. Wildschweine stehen dagegen nicht auf ihrem Speiseplan. Allerdings würden immer wieder auch Schafe, Ziegen oder Wildtiere in Gehegen von Luchsen gerissen, berichtet Experte Anders. Die Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt hätten zur Schadens-Kompensation jährlich zusammen im Schnitt bis zu 2000 Euro aufbringen müssen.