Gifhorn. Die Behörde reagiert auf die dramatische Lage in öffentlichen Tagesstätten. Doch als Jugendhilfeträger ist sie dafür verantwortlich.

Hiobsbotschaft am Morgen: Die Krippe fällt krankheitsbedingt aus. Die Personaldecke in der Tagesstätte ist ohnehin schon knapp. Eltern, die bei der Kreisverwaltung arbeiten, können ihr Kind nach einem Vorschlag der Kreisverwaltung ab2024 bei einer Notbetreuung unterbringen. Eltern mit einem anderen Arbeitgeber haben ein dickes Problem.

Notbetreuung nur für Eltern, die in der Kreisverwaltung arbeiten

Pikant: Zuständiger Träger der Jugendhilfe ist der Landkreis. Er soll sicherstellen, dass die Kinderbetreuung für alle funktioniert. In Gifhorn gibt es dafür Verträge mit den Städten und Gemeinden.

Der Kreistag soll nun aber am Freitag über eine exklusive Sonderlösung für Mitarbeiter der Kreisverwaltung beraten und für eine externe Notbetreuung 50.000 Euro aus Steuermitteln bereitstellen.

Nach Informationen unserer Zeitung erntete der Vorschlag der Gleichstellungsbeauftragten Verena Maibaum in den Vorbesprechungen gemischte Reaktionen. So will die Politik sichergestellt sehen, dass die Verwaltung keinen Betriebskindergarten durch die Hintertür einrichtet. Denkbar wäre demnach, mit dem Caritas-Kreisverband zusammenzuarbeiten. Fragen hatten die Politiker auch zu dem Problem, wenn Kleinkinder durch die Notbetreuung auf wechselnde Erzieherinnen stoßen, während sonst auf schrittweises Eingewöhnen und Kennenlernen höchster Wert gelegt wird.

Die grundsätzlichen Argumente der Gleichstellungsbeauftragten nach einer Mitarbeiterumfrage überzeugten aber viele. Ein Angebot von Notbetreuung verbessere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und verringere Fehlzeiten von Beschäftigten mit Kind. Das steigere nicht nur die Attraktivität der Kreisverwaltung als Arbeitgeber. Es erhöhe auch die Arbeitsqualität, weil sich die Eltern voll auf ihre berufliche Tätigkeit konzentrieren könnten.

„Die Betreuung bricht weg“ in öffentlichen Tagesstätten

Die Probleme mit der öffentlichen Kinderbetreuung sind nach Wahrnehmung der Beschäftigten massiv: „Die Situation wird aufgrund der angespannten Personalsituation und den heftigen Krankheitswellen in den Kindergärten und Krippen immer prekärer. Die Betreuung bricht weg oder wird zeitlich massiv eingeschränkt“, schildert die Gleichstellungsbeauftragte. „Viele unserer Kolleginnen und Kollegen mit Kindern werde häufig morgens von kurzfristigen Gruppenschließungen überrascht. Diese Schließungen stellen sie vor große organisatorische Probleme und führen zu einer erhöhten Belastungssituation.“

Stadtelternrat warnt vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft

Der Stadtelternrat (einen Kreiselternrat gibt es nicht) warnte vor einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“: Grundsätzlich sei der Ansatz einer Notbetreuung „eine gute Sache“, betonten Vanessa Jahns und Christopher Finck. Allerdings wäre es „schön, wenn das trägerübergreifend wäre, damit jeder die Möglichkeit hat und nicht nur Landkreis-Beschäftigte“. Finck riet zu einem Blick in die Region Hannover, wo es für Notbetreuungen eine Verbundlösung von Region und Stadt Hannover sowie Betrieben unter der Bezeichnung Fluxx gebe. „Dafür muss man aber auch Geld in die Hand nehmen.“

Kommentar: Keine Privilegien für Eltern, die beim Landkreis arbeiten

Die Gleichstellungsbeauftragte der Kreisverwaltung hat mit allen Argumenten Recht, warum berufstätige Eltern eine verlässliche Kinderbetreuung brauchen. Alles spricht auch für eine Notfallbetreuung.

Allein die Idee des Landkreises aber, dieses Angebot auf die eigene Belegschaft zu begrenzen, ist ein Affront gegen die Bürgerschaft. Ein „Verwaltungskind“ aus einer kollabierenden Krippengruppe darf in die Notbetreuung. Ein „Verkäuferinnenkind“ und seine Mutter gucken in die Röhre? Ein Skandal.

  • Weil es der Landkreis als Träger der Jugendhilfe ist, der der Probleme nicht Herr wird.
  • Weil die Behörde angesichts dieses Versagens nicht einfach mit extra Steuergeld über die öffentlichen Betreuungs-Millionen hinaus ein Privileg für die eigene Belegschaft erschaffen kann. Solches Bonzentum hatten wir zuletzt in der DDR.
  • Weil jede exklusiv eingekaufte Erzieherin für die öffentliche Betreuung schmerzhaft fehlt.

Der Landkreis hat durchaus Ideen gegen die Betreuungs-Misere. Etwa die Stipendien für den Fachnachwuchs. Er sollte sich schleunigst etwas für eine Notbetreuung für alle einfallen lassen. Darauf sollten auch die Landkreis-Eltern drängen.