Gifhorn. Und so funktioniert Prävention: Das Theater Springinsfeld erforscht mit Dritt- und Viertklässlern Gefühle bei Berührungen.

Mehr als 17.000 Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren waren im vergangenen Jahr bundesweit Opfer sexualisierter Gewalt – diese Zahl veröffentlichte das Bundeskriminalamt vor wenigen Tagen. Heruntergerechnet auf Gifhorns Kreisbevölkerung von rund
180.000 Einwohnern läge die Zahl bei 35. Tatsächlich ist die Statistik der Gifhorner Polizeiinspektion davon nicht weit entfernt: Hier liegt die Zahl bei 33.

„Im Jahr 2022 bearbeitete die Polizeiinspektion Gifhorn 31 Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen“, teilt Pressesprecher Christoph Nowak mit. In ein oder zwei Verfahren gab es demnach mehrere Opfer. Im zeitlichen Verlauf hat sich die Zahl nur scheinbar verbessert, nämlich von 42, 60 und 44 in den Jahren von 2018 bis 2020. Aber 2021 – im Corona-Jahr – lag die Anzahl der Opfer weit unter diesen Werten: bei 23. Insofern hatten 2022 offenbar Kontakteinschränkungen auch auf diese Verbrechen noch eine Auswirkung. Auch geht das BKA von einer enormen Dunkelziffer aus, weil sich viele Opfer aus Scham nicht trauten, sich anderen anzuvertrauen.

In mehr als die Hälfte der Gifhorner Fälle waren die Täter bekannt

Eins steht für die Gifhorner Polizei ebenfalls fest: „Von den 33 Opfern im Jahr 2022 hatten etwa ein Drittel keinerlei Beziehungen zur Täterschaft“, so Nowak. In mehr als der Hälfte der Fälle habe eine Beziehung ermittelt werden können: Diese habe beispielsweise im familiären Umfeld oder im sozialen Gefüge wie etwa dem Vereinsleben gelegen.

Darauf zielt auch die Prävention von sexualisierter Gewalt. ab, wie sie von der Volksbank-Brawo-Stiftung derzeit gefördert wird: Zurzeit tourt das Klassenzimmertheater Springinsfeld aus Hildesheim mit 120 Aufführungen durch dritte und vierte Klassen in der Region Braunschweig. Auch in zwei Grundschulen des Landkreises zeigt es das Stück „ja-nein-stop!“. Vergangene und diese Woche war es bereits in Calberlah, Ende des Monats gibt es dort eine weitere Vorstellung. Im kommenden Jahr dann viermal in der Grundschule „Im bunten Dreieck“ in Westerbeck.

Schauspieler erforschen in Calberlah die Gefühle der Kinder

Die beiden Schauspieler und Theaterpädagogen Antje Kilian und Jens Wirsching stellten sich der 4a in Calberlah als Wissenschaftler vor – „im Auftrag der Akademie für Kummer und Wut“: „Wir erforschen Gefühle!“, so Kilian. Denn die seien wie eine Ampel, die Signale sendet, ergänzt Wirsching. Mit Dingen aus dem „Koffer der ungelösten Fälle“ gehen sie mit den Kindern gemeinsam der Frage nach, was für Gefühle man hat, wenn man jemandem die Hände schüttelt, wenn einem Oma umarmt oder man mit den Eltern kuschelt.

Die Erkenntnis: Berührungen können sich je nach Person und Situation unterschiedlich anfühlen. Spätestens aber, als die imaginäre Figur Veith beim handwerklichen Helfen beim Nachbarn „hilfestellend“ angefasst wird, erkennen auch die Kinder: „Nur Veith bestimmt, wer ihn anfassen darf!“ Und er solle einfach nein sagen.

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„Das ist kindgerecht und humorvoll aufgearbeitet“, lobt der Schulleiter Ingo Hagedorn. Das Stück verdeutliche, in welchem Zwiespalt Kinder stehen, wenn ihnen sonst sympathische Personen näher kommen, als ihnen lieb ist. „Gefühle sind aber Indaktoren für Gefahren.“ Die Zahlen der Polizei findet Hagedorn schon dramatisch hoch.