Gifhorn. So reagiert die Politik auf den Bericht über Notunterkünfte in Turnhallen und ein Erstaufnahmelager in Lessien. Die AfD will einen Bürgerentscheid.

Überlegungen der Kreisverwaltung, wie zusätzliche Flüchtlinge im Landkreis Gifhorn unterzubringen sind, haben ein geteiltes Echo der Politik ausgelöst.

Landtagsabgeordneter erwartet Notfallpläne vom Kreis Gifhorn

Christian Schroeder, Landtagsabgeordneter der Grünen und Vorsitzender der Gruppe von Grünen, Linken und Die Partei, hat keine Kenntnis von Plänen, kreiseigene Sporthallen als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber zu nutzen. Gleichwohl erwarte er von der Kreisverwaltung, „Notfallpläne in der Schublade zu haben“ für den Fall erhöhter Zuwanderung. Aktuell hatte das Land Niedersachsen dem Kreis Gifhorn über die hier lebenden 1300 Asylbewerber hinaus weitere 640 Menschen bis März 2024 zugewiesen.

Zu Überlegungen, die kreiseigene Unterkunft in Lessien in einer ehemaligen Bundeswehrkaserne als Außenstelle für bis zu 1000 Menschen zu führen, äußerte Schroeder: „Natürlich gibt es Gespräch zwischen Hannover und dem Landkreis. Ich gehe davon aus, dass die Verwaltung vernünftig verhandelt.“ Auch darüber, in welchem Umfang dort beherbergte Menschen auf die Gifhorner Quote anzurechnen seien.

Gerade in Ehra-Lessien, aber auch grundsätzlich müsse die Behörde zudem sehr frühzeitig auf die örtliche Zivilgesellschaft zugehen und sie über Pläne in Kenntnis setzen, so Schroeder.

Unabhängige: Menschen in Nordafrika versorgen

Für die Gruppe Unabhängige/FDP sagte der Vorsitzende Jürgen Völke: „Ich kann die Aufregung nicht verstehen. Der Landkreis hat in keinster Weise Einfluss auf die Verteilungsquoten des Landes und kann nur reagieren. Dass Europa und der Bund weiterhin in ihrer Unfähigkeit verharren und die Überforderung der Kommunen billigend in Kauf nehmen und mit irgendwelchen neuen Ideen die Bevölkerung für dumm verkaufen, ist schon ein Stück weit erschreckend.“

Völke wörtlich: „Ich schlage vor, wir erwerben in Nordafrika Land, schaffen dort Infrastruktur und Arbeitsplätze und die Menschen müssen nicht über das Mittelmeer. Geld wird ja wohl nicht das Problem sein, da es im Moment an afrikanische Länder geht, aber leider keinerlei Wirkung erzielt.“

BIG: Werden Bürger vor vollendete Tatsache gestellt?

Für die Sassenburger Wählergemeinschaft BIG wies der Kreistagsabgeordnete Andreas Kautzsch daraufhin, dass Herkunft und Nationalität der zusätzlich Ankommenden „nicht vorhersehbar“ seien. Allein die Gemeinde Sassenburg werde bis zu 40 dieser Menschen aufnehmen müssen. Kautsch: „Die Gemeindeverwaltugn wird daher intensiv nach Wohnraum suchen, den es kaum noch gibt. Daher gibt es im Landkreis Gifhorn Notfallpläne zur Errichtung von Notunterkünften in öffentlichen Gebäuden, wozu auch Sporthallen zählen.“

Kautzsch kritisiert, die Flüchtlingsfrage werde im Landkreis als „verbotenes Thema“, also als Tabu, behandelt. „Landrat Tobias Heilmann schafft es nicht, mit dem Thema transparent und offensiv umzugehen.“ Dabei seien die Kosten ohnehin im Etat abgebildet werden. Kautzsch: „Bürger wollen informiert und mitgenommen, aber nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden.“

CDU: Sperrung von Turnhallen bislang vermieden

Telse Dirksmeyer-Vielhauer als Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion hob hervor, der Landkreis habe es bislang vermeiden können, Sporthallen als Notunterkünfte zu nutzen: „Das wird weiter das Ziel sein.“

Vieles sei derzeit in der Diskussion noch nichtöffentlich, betonte die Christdemokratin. Sie gab sich aber zuversichtlich, auch zusätzliche Menschen, die dem Landkreis zugewiesen würden, beherbergen zu können. Als Beispiel nannte sie die Erfolge ihrer Samtgemeinde Papenteich, wo dies entgegen aller Skepsis durch fraktionsübergreifende Zusammenarbeit im Rat beim Ankauf von Wohnraum gelungen sei.

Dirksmeyer-Vielhauer lag daran zu betonen, dass von erhöhten Flüchtlingszahlen „nicht nur Gifhorn betroffen ist, sondern alle Landkreise in Niedersachsen.“ Sie fangen aus Sicht der CDU-Politikerin eine falsche bundespolitische Weichenstellung auf: „Berlin ist nicht in der Lage, das zu regeln. SPD und Grüne möchten die ganze Welt retten.“ Es geschähen „unkontrollierbare Fehler“.

AfD: Bürgerentscheid gegen Erstaufnahmeinrichtung im Kreis Gifhorn

Für die AfD-Kreistagsfraktion kündigte der Vorsitzende Stefan Marzischewski-Drewes einen Bürgerentscheid gemäß Kommunalverfassung an mit dem Ziel, eine Erstaufnahmeeinrichtung im Landkreis Gifhorn abzulehnen: „Ehra-Lessien wäre komplett überlastet und überfordert, wenn dort 1000 Menschen hinkommen“, sagte Marzischewski-Drewes.

Der Landesregierung warf der AfD-Landtagsfraktionschef vor, „nicht mit offenen Karten zu spielen und die Gemeinden vor vollendete Tatsachen zu stellen“. Nach Niedersachsen kämen zurzeit 1400 Flüchtlinge pro Woche, mehr als 30.000 pro Halbjahr. Innenministerin Daniela Behrens habe auf ausdrückliche Nachfrage nicht ausgeschlossen, dass auch Turnhallen belegt werden müssten.

Zudem stehe die kreiseigene Unterkunft in Lessien als Erstaufnahmeeinrichtung längst „im Fokus des Landes“, berichtete Marzischewski-Drewes.

SPD: Es gibt keine konkreten Flüchtlingszahlen

Die Gifhorns SPD-Fraktionsvorsitzende Brigitte Brinkmann im Kreistag verweist auf anderslautende Informationen. Demnach habe Gifhorn gerade „keine Quotierung erhalten“ für Zuweisungen weiterer Flüchtlinge. Und die Nutzung von Turnhallen als Unterkünfte sei „überhaupt nicht im Gespräch“. Nach ihren Informationen sind „in den Landesaufnahmestellen Kapazitäten da“.

Landrat Tobias Heilmann habe offiziell mitgeteilt, dass das Land mit Gifhorn über Flüchtlinge „Gespräche geführt hat wie mit allen Landkreisen und Städten, um Notfallkapazitäten zu besprechen“. Es gebe aber „keine konkreten Zahlen“.

Brinkmann räumte ein, die Situation in den Gemeinden sei „bereits jetzt eine große Herausforderung, gerade die Ehrenamtlichen sind sehr gefordert“. Nicht von ungefähr habe Ministerpräsident Stephan Weil darauf hingewiesen, dass man sich in Niedersachsen „an der Belastungsgrenze“ befinde, so Brinkmann.