Meinersen. Die 22-jährige Studentin ist Freitag nach Tel Aviv geflogen und erlebt die angespannte Atmosphäre und Iron-Dome-Explosionen bei den Schwiegereltern.

Die Meinerserin Deborah Wegner ist vergangenen Freitag nach Israel geflogen, um ihren Verlobten Barel Amar noch einmal zu sehen - der 25-jährige Israeli ist als Reservist von der Armee eingezogen worden. Mutter Beatrice Wegner und ihre Tochter telefonieren täglich über die Situation vor Ort. Auch unsere Zeitung erreicht die Studentin per Handy in Javne bei Tel Aviv.

In Israel sei die Stimmung „weniger bedrückt, als man denkt, weniger bedrückt als in Deutschland“, sagt Deborah Wegner. „Sie ist mittlerweile eher positiv. Man will sich nicht unterkriegen lassen. Die Zeit der Trauer ist vorbei.“ Es sei eher eine Aufbruchstimmung. Überall werde zu Spenden aufgerufen. „Ich war gestern Blut spenden. Aber nach wenigen Stunden mussten sie die Schalter schon wieder schließen, weil sie so viel Blut gar nicht lagern können.“

Sorgen weichen der Einstellung „Wir schaffen das!“

Es gebe quasi keine Familie, die vom Angriff der Hamas am 7. Oktober und dessen Folgen nicht betroffen ist: Nicht nur weil Todes- oder Entführungsopfer zu beklagen sind, sondern weil derzeit Tausende von Reservisten eingezogen würden. „Die Frage, nicht zum Einsatz zu gehen, verbietet sich“, so Beatrice Wegner. Auch der Verlobte sage, er müsse Land und Familie verteidigen. „Am Anfang war er sehr besorgt“, berichtet die Tochter, „jetzt hat er aber eher die Einstellung: Wir schaffen das!“ Für die Soldaten werde alles getan, dass die Laune gut bleibe.

Der 22-jährigen Deborah, die am SMG in Meinersen ihr Abi gemacht hat und nun Jura in Hannover studiert, ist es am Samstag gelungen, ihren Verlobten zu besuchen - außerhalb seiner Militär-Basis, in der für die Einsätze trainiert wird. Sie ist dafür mit Amars Familie zweieinhalb Stunden durch die Wüste gefahren - „man hat 20, maximal 30 Minuten Zeit“. Morgen will sie erneut hinfahren, sagt sie. Dann nimmt sie dicke Socken und etwas Warmes zu essen mit. „Nachts wird es schon sehr kalt dort. Und er muss draußen schlafen.“

Meinerserin hat sich an die Raketen gewöhnt

Autofahren will die junge Meinerserin in Israel allerdings zurzeit nur ungern, sagt die Mutter - zu gefährlich bei Raketenbeschuss durch die Hamas. In der Wohnung der künftigen Schwiegereltern in Javne bei Tel Aviv gebe es allerdings - wie in vielen Wohnungen - einen Schutzraum, den man bei Alarm aufsuchen kann. „Die nächste Abschussstation des Raketenabwehrsystems Iron Dome ist nicht weit. Da bekommt Deborah jede Rakete mit.“ Sie selbst sagt: „Man sieht kleine Lichtpunkte, wie Silvester, nur gefährlicher. Ich kann die Explosionen hören. Wenn sie näher dran sind, wackeln die Wände.“

Sie findet es selbst merkwürdig, aber: „Ich habe mich schon an die Raketen gewöhnt.“ Die 22-Jährige fühle sich zwar unbehaglich, aber nicht unsicher - „die Abfangquote des Iron Dome ist sehr hoch.“ Mehrmals am Tag gehen die Sirenen - „allein heute schon fünfmal“. Aber nicht in allen Stadtteilen, sie berechneten die Einschläge schon sehr präzise. „Wir haben Glück, die Raketen gehen immer vor und hinter uns herunter.“

Israelis rechnen nicht nur mit einem neuen Sechstage-Krieg

Ja, Beatrice Wegner hat Angst um ihre Tochter, sagt sie. „Aber sie ist volljährig. Ich könnte mir auch nicht verzeihen, wenn ich ihr die Reise ausgeredet hätte.“ Ihre Tochter war vor dreieinhalb Jahren das erste Mal durch einen neunmonatigen Freiwiligendienst in Israel und hat dort ihren Verlobten kennengelernt. Danach reiste sie immer wieder für ein bis vier Wochen dorthin, zuletzt von April bis August auch für ein Praktikum in einer Kanzlei. Dadurch habe sie schon einen sehr engen Kontakt zu den Israelis bekommen und kenne das Land gut, so die Mutter.

Wie lange Deborah diesmal in Israel bleibt, stehe noch nicht fest - „ich habe kein Rückticket gebucht“. Wie lange der Krieg dauert, vermag niemand zu schätzen. Kein Israeli rechne jedoch nur mit einem neuen Sechstage-Krieg.