Neudorf-Platendorf. Das Moormuseum in Neudorf-Platendorf bei Gifhorn ist seit 2021 geöffnet und hatte bisher keinen einzigen Tag geschlossen. Das gibt es dort zu sehen.

Der Knüppeldamm führte einst von Neudorf-Platendorf bis zur Gaststätte Zum Wahrenholzer Moor mit dem schaurigen Spitznamen Blutiger Knochen. „Danach endete die Welt“, heißt es auf der Infotafel des Fördervereins Großes Moor. Der Knüppeldamm, das war über Jahrzehnte ein beschwerlicher Transportweg für Pferdegespanne, die Torf aus dem Großen Moor zum Bahnhof brachten. Später kamen Gleise für Loren dazu. Seit 1960 gibt es eine geteerte Straße.

Das Moormuseum in Neudorf Platendorf ist ganzjährig geöffnet

Gut so, denn sonst wäre das Moormuseum in Neudorf-Platendorf, das jüngste Museum im Landkreis Gifhorn, etwas schwerlich zu erreichen. So aber geht‘s geradeaus, einfach geradeaus, mehrere Kilometer durch eines der längsten Dörfer Niedersachsens, gesäumt von Gräben, eng verbunden mit der Geschichte des Torfabbaus im nahen Großen Moor.

Detlev Junge erster Vorsitzender des Fördervereins Großes Moor, lädt ein zu einem Rundgang im Torfmuseum. Neben der besonderen Geschichte des Torfabbaus faszinieren vor allem die Jahrzehnte alten Maschinen.  
Detlev Junge erster Vorsitzender des Fördervereins Großes Moor, lädt ein zu einem Rundgang im Torfmuseum. Neben der besonderen Geschichte des Torfabbaus faszinieren vor allem die Jahrzehnte alten Maschinen.   © FMN | Dirk Kühn

Mittlerweile ist das Moormuseum kurz hinter dem Ortsausgang Richtung Schönewörde gar nicht zu verfehlen. Eine restaurierte Torflok steht am Eingang des Museums vor dem Torfpresswerk des einstigen Torfbetriebs von Erwin Wulfes. Ende 2000 stellte er den Nebenerwerbsbetrieb ein. Weitere 23 Jahre sollte es dauern, in denen noch industriell Torf abgebaut wurde. Ende Dezember ist nun Schluss. „Am 31 .12. 2023 wird jeglicher industrieller Torfabbau im gesamten Großen Moor beendet“, stellt Detlev Junge, Vorsitzender des Fördervereins Großes Moor klar. Das heißt aber nicht, dass die Arbeiten im größten Naturschutzgebiet des Landkreises Gifhorn beendet sind. „Die Firmen dürfen beziehungsweise müssen in den nächsten Jahren die vorhandenen Torfhalden abfahren“, erläutert Junge. Auch müssten die Flächen so hergerichtet werden, dass funktionierende Biotope entstehen.

Damit endet die rund 230-jährige Geschichte des Torfabbaus im Großen Moor. König Georg III. ließ um 1795 die Moorkolonien Neudorf und Platendorf gründen. Er setzte darauf, dass die Kolonisten das Land urbar machten und hoffte auf Steuereinnahmen aus dem Verkauf des Torfs. 1802 lebten in beiden Orten 162 Einwohner – viele von ihnen fristeten ein armes Leben, geprägt von harter Arbeit. Auf der Infotafel „Bettler, Diebe und andere Verbrecher?“ heißt es im Moormuseum: „Das unaufhörliche Schreien der hungernden Moor-Colonisten zu Platendorf und Neudorf hat endlich die Teilnahme gefühlvoller Menschen erweckt…“. „…man muß helfen, aber nicht indem man den Colonisten den Mund verstopft und sie tothungern lässt, nein man muß ihnen gestatten ihr Brot zu verdienen.“

Detlev Junge erster Vorsitzender des Fördervereins Großes Moor, lädt ein zu einem Rundgang im Torfmuseum. Neben der besonderen Geschichte des Torfabbaus faszinieren vor allem die Jahrzehnte alten Maschinen.  
Detlev Junge erster Vorsitzender des Fördervereins Großes Moor, lädt ein zu einem Rundgang im Torfmuseum. Neben der besonderen Geschichte des Torfabbaus faszinieren vor allem die Jahrzehnte alten Maschinen.   © FMN | Dirk Kühn

Erst im Zuge der Industrialisierung besserte sich die Lage. „1872 entstand im Großen Moor bei Gifhorn der älteste industrielle Torfabbau Niedersachsens“, informiert das Moormuseum. Ein Jahr später wurde die Norddeutsche Torfmoorgesellschaft Triangel gegründet. 1876 erfolgte in Triangel eine Torfmaschinenausstellung, bei der Torfgewinnungsmethoden getestet wurden. „Mit Dampf und Diesel angetriebene Maschinen erleichterten die Arbeit. Förderbänder, Torfpressen und Ablagebänder kamen zum Einsatz. Der Torf musste trotzdem weiterhin mit der Hand gestochen werden, aber das Förderband erleichterte den Transport. Zudem konnte der Torf maschinell gepresst und abgelegt werden.“

Zu diesen Maschinen gehört auch die Liliput, die quasi 2009 die Initialzündung zur Gründung des Fördervereins Großes Moor gab. Der Platendorfer Heinrich Wulfes war noch in Besitz eines solchen Kleinbaggers, der seit 1951 für den industriellen Torfabbau eingesetzt wurde – nicht nur in Platendorf, auch in den Niederlanden, Finnland, Frankreich, Polen und Schweden. Sogar nach Irland wurden 39 Exemplare verschifft. Seinem Namen wird Liliput allerdings nicht unbedingt gerecht: Allein der freihängende Ableger hat eine Länge von 20 bis 25 Meter. Für die drei Kilometer vom Mathildenhof bei Stüde bis zum Moormuseum brauchte die Abbaumaschine drei Tage. Zehn Gründungsmitglieder fanden sich schließlich zusammen, um den Förderverein ins Leben zu rufen.

Detlev Junge erster Vorsitzender des Fördervereins Großes Moor, erzählt über den Liliput, ein rund 70 Jahre alter Brentorfbagger, gestiftet von Heinrich Wulfes, mit dem der Grundstein für das Moormuseum gelegt wurde. Drei Tage hat die Anfahrt gedauert – für drei Kilometer.  
Detlev Junge erster Vorsitzender des Fördervereins Großes Moor, erzählt über den Liliput, ein rund 70 Jahre alter Brentorfbagger, gestiftet von Heinrich Wulfes, mit dem der Grundstein für das Moormuseum gelegt wurde. Drei Tage hat die Anfahrt gedauert – für drei Kilometer.   © FMN | Dirk Kühn

2012 schenkte Gründungsmitglied und Förderer Erwin Wulfes dem Verein das Presswerk und das Grundstück. Doch es sollte noch knapp zehn Jahre dauern, bis das Moormuseum endlich für Besucherinnen und Besucher öffnete. Unzählige Gespräche mit der unteren Naturschutzbehörde, dem Bauplanungsamt, der unteren Wasserbehörde, der Koordinierungsstelle Umwelt (Konu) und anderen Beteiligten waren erforderlich, bis 2014 die Genehmigung des Landkreises vorlag. Dann folgten die Vorbereitungen: „Wir konnten die tonnenschweren Maschinen ja nicht einfach ins Moor stellen“, erzählt Junge. Für rund 35.000 Euro musste der Boden auf dem Ausstellungsgelände ausgetauscht werden. Eine Gleisanlage für die Torfloren wurden verlegt. Zudem wurden vier Pütten angelegt. In diesen rechteckig angelegten Moorflächen, getrennt durch Torfdämme, soll sich das Grundwasser sammeln und Torfmoose ansiedeln.

Stichwort Wiedervernässung: Mit rund 3,73 Millionen Euro förderte der EU-Fonds für regionale Entwicklung das KliMo-Projekt (Klimaschutz durch Moorentwicklung) „Optimierung des Wasserhaushaltes in ausgewählten Mooren der Südheide“. Unter Federführung des niederächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) wurden bis Ende 2022 auf einer Fläche von rund 200 Hektar insgesamt knapp 3.700 Meter Torfverwallungen neu errichtet und 2.300 Meter bereits vorhandene Torfverwallungen ausgebessert. So entstanden Polderflächen, in denen sich künftig Wasser bis zu einer festgelegten Höhe sammeln kann. Auf diese Weise sollen sich hier zunächst Torfmoose und langfristig weitere moortypische Pflanzen ansiedeln und so ein neues, lebendiges Moor entstehen.

Die Dokumentation der Wiedervernässung des Großen Moores ist eine weitere Aufgabe des Fördervereins. 
Die Dokumentation der Wiedervernässung des Großen Moores ist eine weitere Aufgabe des Fördervereins.  © FMN | Dirk Kühn

Der Förderverein dokumentiert die Wiedervernässung seit 1997. Neben dem Betrieb des Museums sieht er darin einen zweiten wichtigen Schwerpunkt. „Nur in dauerhaft nassen Bereichen wachsen Torfmoose, Wollgräser und andere Pflanzen, die die aufs Moor spezialisierten Tierarten als Lebensgrundlage benötigen“, erläutert Junge und zeigt beeindruckende Fotos von moortypischer Flora und Fauna. Beim Nachbau dieses besonderen ökologischen Systems seien leider viele Abstriche unabdingbar. Ob ein gutes Ergebnis erreicht werde, um den vielfachen Vernetzungen zwischen Landschaft, Pflanzen- und Tiergemeinschaften gerecht zu werden, zeige die Zukunft.

Dem Erfolgsmodell bei der Renaturierung widmet der Förderverein einen besonderen Fokus. Am Beispiel einer abgetorften Fläche am Arnoldshof, wo der Torf bis auf den gewachsenen Boden entnommen wurde, zeigt er die für viele überraschende Erkenntnis. Binnen kurzer Zeit siedelten sich in Pütten Torfmoose, Wollgras und Sonnentau an. Hieß es bis dahin: „Torf gehört ins Moor“, musste es, aufgrund der besonderen geografischen Lage des Großen Moores, nun lauten: „Abtorfen, damit Torfmoose wachsen können“.

Die Dokumentation der Wiedervernässung des Großen Moores ist eine weitere Aufgabe des Fördervereins. 
Die Dokumentation der Wiedervernässung des Großen Moores ist eine weitere Aufgabe des Fördervereins.  © FMN | Dirk Kühn

Und wenn die Torfmoose wachsen, wächst auch das Moor wieder. Dafür allerdings braucht es Zeit, viel Zeit. Moorwachstum ist zum einen nur bei permanent hohem Wasserstand möglich, zum anderen wächst die Torfschicht gerade mal einen Millimeter pro Jahr. „Vielleicht gelingt es ja irgendwann, dass sich das Birkhuhn wieder im Großen Moor ansiedelt“, hofft Junge.

An der Gaststätte Zum Wahrenholzer Moor wird es jedenfalls nicht liegen, wenn sich das Birkhuhn andere Orte sucht. Sie ist seit Jahrzehnten geschlossen. Früher erhielten die im Moor Beschäftigten dort ihren Wochenlohn ausgezahlt. Sie wohnten in Baracken. Der ein oder andere gönnte sich dann ein Bier. Nicht selten soll es zu handfesten Schlägereien gekommen sein. Daraus könnte dann der Spitzname Blutiger Knochen entstanden sein.

So erreichen Sie das Moormuseum Neudorf-Platendorf

Adresse: Dorfstraße 170 in 38524 Sassenburg. Das Museum befindet sich etwa 200 Meter hinter dem nördlichen Ortsausgang von Neudorf-Platendorf auf der rechten Seite in Fahrtrichtung Schönewörde.

Öffnungszeiten: Besichtigt werden kann das Moormuseum an 365 Tagen im Jahr bis kurz vor Einbruch der Dunkelheit.

Eintritt: kostenlos, das Gelände ist frei zugänglich,

Kontakt: Telefon 0173 8151860,

E-mail: 1.Vorsitzender@foerderverein-grosses-moor.de

Detlev Junge, erster Vorsitzender des Fördervereins Große Moor, mit einem Stück Presstorf, der auch zum Heizen genutzt wurde. 
Detlev Junge, erster Vorsitzender des Fördervereins Große Moor, mit einem Stück Presstorf, der auch zum Heizen genutzt wurde.  © FMN | Dirk Kühn