Zicherie. Der Trägerverein findet immer mehr Mitstreiter für seine Erinnerungsarbeit. Diese Glanzlichter prägen den Feiertag in einer neuen Ausstellung.

Menschen, denen es am Tag der Einheit ein Anliegen war, sich mit dem Ereignis der Wiedervereinigung auseinanderzusetzen, trafen sich am Dienstag im Grenzmuseum Zicherie-Böckwitz. Der Trägerverein um Verena Treichel hatte um das historische Datum ein ebenso informatives wie geselliges Programm gestaltet. Wie sehr die Arbeit die Menschen erreicht, zeigte diese Zahl: „Wir haben heute die 100er-Marke bei den Mitgliedern geknackt“, freute sich Treichel, die den Verein 2019 vor dem Einschlafen bewahrt hatte. „Hier kann sich jeder einbringen und es zählt jede Perspektive auf die deutsche Teilung und das Zusammenwachsen.“

Das Grenzmuseum Zicherie-Böckwitz wies mit einem ganz besonderen Schild auf die Veranstaltungen zum Tag der Einheit hin.
Das Grenzmuseum Zicherie-Böckwitz wies mit einem ganz besonderen Schild auf die Veranstaltungen zum Tag der Einheit hin. © FMN | Christian Franz

Den ganzen Tag über war viel los auf dem landwirtschaftlichen Anwesen, das Vereinsgründer Willi Schüttes Familie einst vom SED-Regime abgepresst worden war und das er nach der Grenzöffnung 1989 zurückerhielt. Es gab Exkursionen über das Grüne Band auf dem einstigen Grenzstreifen, einen Gottesdienst, Ausstellungen und Vorträge. 30 gespendete Kuchen und Erbsensuppe hielten dem Besucherandrang nicht lange Stand. Ein Student der Partneruniversität Hannover dokumentierte Gespräche mit Zeitzeugen, die sich das Museum ansahen und mit ihren Erinnerungen spontan die Fülle der historischen Zeugnisse bereichern konnten.

Gibt es immer noch eine Mauer in den Köpfen?

Den Ausstellungsraum erlebten die Besucher in einem komplett neuen Stil. Wo einst landwirtschaftliche Geräte standen, ist jetzt Treffpunkt und Kommunikationsraum für den Dialog zum Thema Trennung und Einheit. Kristallisationspunkt ist eine zarte, aber um so ergreifendere Installation von Marius Förster. Der 36-Jährige hat das bewegende Foto des Hochzeitspaares Dreher, das 1959 der Brautmutter auf der DDR-Seite nur hinter Stacheldraht begegnete, auf großformatige Glasscheiben projiziert. Ein LED-Strahl in kaum zwei Meter Abstand markiert die unüberwindbare Grenze in nächster Nähe.

Marius Förster, gebürtiger Klötzer, gestaltete den Eingangsbereich des Grenzmuseums mit einer neuen Installation. Sie wurde am Tag der Einheit öffentlich vorgestellt.  
Marius Förster, gebürtiger Klötzer, gestaltete den Eingangsbereich des Grenzmuseums mit einer neuen Installation. Sie wurde am Tag der Einheit öffentlich vorgestellt.   © FMN | Christian Franz

„Betrachter können sich hier positionieren“, sagt Förster, dessen Arbeit von der Landesbeauftragten Sachsen-Anhalts zur Aufarbeitung der SED-Diktatur gefördert wurde. Für den gebürtigen Klötzer, der die DDR nicht mehr bewusst erlebte, geht es um die „Imaginäre Grenze: Die Mauer war weg, aber in den Köpfen bestand sie weiter“.

Wie vermittelt man Kindern heute die deutsche Teilung?

Auch die Bromer Familie Gastmeier ist ganz persönlich von der deutsch-deutschen Geschichte betroffen. „Ich bin West, mein Mann Ost“, sagt Tanja Gastmeier. Sie und ihr Mann Andy stehen langsam vor der Aufgabe, den eigenen Kindern die deutsch-deutsche Geschichte zu vermitteln. Ihre Tochter Greta ist sieben Jahre alt, die Zwillinge Jost und Lina sind fünf. „Sie kennen es nicht mehr“, sagt Tanja Gastmeier. „Es ist aber auch gar nicht so einfach.“ So mache sich der Sohn zurzeit viele Gedanken über den Krieg. „Hier im Museum lassen sich Antworten finden“, sind die Eltern überzeugt. Idealerweise auch altersgerechte Antworten. Ein Ansatz war am Feiertag, mit dem Naturführer Holger Nußbaumer aus dem Biosphärenreservat Drömling auf eine Entdeckertour im Bauerngarten zu gehen. Da, wo Willi Schütte solange nicht hin durfte.