Gifhorn. Am Gifhorner Schlosssee aber größtenteils nicht. Der Gesetzentwurf zur Cannabis-Legalisierung ergäbe einen Verbotszonen-Flickenteppich.

Die Ampel-Koalition in Berlin will den Konsum von Cannabis legalisieren, zumindest in begrenzter Form. Seit August liegt ein 184-seitiger Gesetzesentwurf vor, der im Herbst beraten werden soll. Wenn man den für den Kreis Gifhorn zugrundelegt, ergäbe sich plötzlich allerdings ein Flickenteppich von Zonen, in denen das Kiffen später erlaubt beziehungsweise verboten wäre, wenn das Gesetz genauso beschlossen würde.

Die Karte aus Open Street Map (OSM) zeigt, wo sich im Kreis Gifhorn Kitas, Schulen, Jugendzentren, Spielplätzen und Sportstätten befinden. Im Umkreis von 200 Metern ergäben sich nach derzeitigem Gesetzentwurf Cannabis-Verbotszonen.
Die Karte aus Open Street Map (OSM) zeigt, wo sich im Kreis Gifhorn Kitas, Schulen, Jugendzentren, Spielplätzen und Sportstätten befinden. Im Umkreis von 200 Metern ergäben sich nach derzeitigem Gesetzentwurf Cannabis-Verbotszonen. © FMN | Reiner Silberstein

Die Crux liegt im Detail. Denn die Vorlage der Ampel enthält Regelungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, die den öffentlichen Konsum von Cannabis in bestimmten Gegenden untersagen sollen: insbesondere im Abstand von 200 Metern um Schulen, Kitas, Jugendzentren und Spielplätzen, in öffentlich zugänglichen Sportstätten sowie in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr.

Bei Cannabis-Legalisierung wird es eng in der Gifhorner Innenstadt

Und Orte, um die die Haschischfreunde einen großen Bogen machen müssen, gibt es auch in der Stadt Gifhorn mehr, als man denkt. Die Datenjournalisten unserer Redaktion hat die Fakten aus öffentlich zugänglichen Karten im Internet - in diesem Fall aus Open Street Map (OSM) - herangezogen und genauer hingeschaut (die vollständige Karte).

Dabei wird zum Beispiel dies offensichtlich: Wer sich beim Spaziergang über die Konrad-Adenauer-Straße einen Joint drehen will, sollte bedenken, dass er dabei nicht nur der Freiher-vom-Stein-Schule verdächtig nahe kommt, sondern auch den Spielgeräten im Steinweg und am Schlosssee - auch einzelne Geräte können schon als Spielplatz gelten und hätten eine Sperrzone um sich herum. Und wer hätte dran gedacht: Auf dem Gelände der Allerwelle befindet sich eine Sportstätte, hinter der AOK am Schleusendamm noch ein weiterer Spielplatz.

Kiffen in Gifhorn: Gibt‘s am Ende eine App, die anzeigt, wo man kiffen darf und wo nicht?

Man merkt: Zu berücksichtigen wären bei diesem Zonenmodell nicht nur die Gegebenheiten, die im direkten Blickfeld liegen. Wer wissen will, ob er sein Marihuana aus der Tasche holen darf, muss dann wahrscheinlich ersteinmal eine Stadtkarte studieren, um alle möglichen Ansammlungen von Schutzbefohlenen zu berücksichtigen. Gut möglich, dass es im kommenden Jahr eine App gibt, die für den jeweiligen Standort per GPS grünes Licht zum Kiffen gibt - oder rotes.

Schnell würden grasrauchfreudige Gifhorner merken, dass es sich mitten in der Stadt auf dem Streifen entlang der Aller inklusive Kaninchengarten genüsslich verweilen lässt. Genauso draußen vor der Gaststätte „Schützenwiese“ oder am Kultbahnhof, während die Cappucabana für derlei Freizeitaktivitäten tabu ist. Der Schlosshof lädt zum Kiffen ein, das ganze westliche Ufer des Schlosssees dagegen nicht.

Cannabis-Legalisierung: Auf den Dörfern im Kreis Gifhorn drohen diverse Kuriositäten

Draußen auf den Dörfern gibt es auch ein paar Kuriositäten: In Meines Mitte gäbe es nur eine kleine Insel, die zum Kiffer-Paradies mutieren könnte - an der Kreuzung von Hautpstraße und Zellbergsheideweg, wo sich Biergartengäste von Hexe und Amicizia zuwinken können. Rothemühle und Jelpke sind jeweils zweigeteilt: in Rauchfrei- und Raucher-Bereiche. Das Doppeldorf Zicherie-Böckwitz wird 34 Jahre nach dem Fall der Mauer wieder getrennt - in eine Erlaubt-Ost- und eine Verboten-Westzone. In Meinersen und Calberlah darf man zumindest die Hauptstraßen straffrei vernebelt entlangflanieren.

Orte, in denen Cannabis-Besitzer sorgenfrei einen Joint durchziehen können, ganz ohne auf irgendwelche Karten zu achten, gibt es allerdings nur äußerst selten. Solche sind zum Beispiel Druffelbeck, Klein Vollbüttel, Ausbüttel (außer Schießheim im Wald), Pollhöfen, Wichelnförth und Kaiserwinkel.

Gesetz zur Cannabis-Legalisierung: Hat die Polizei überhaupt eine Chance, „Falschraucher“ dingfest zu machen?

Ein Gesetz ist das eine, die Kontrolle desselben etwas völlig anderes. Hat die Polizei überhaupt eine Chance, verortete Falschraucher dingfest zu machen? „Dazu können wir keinen Kommentar abgeben“, sagt Gifhorns Polizeipressesprecher Christoph Nowak. Man gebe keine Statements zu Entwürfen von noch nicht beschlossenen Gesetzen. Und wenn die Cannabis-Legalisierung später geltenes Recht geworden ist, dann sei es eben Auftrag, es umzusetzen - auch dann werde man nicht sagen, wie man das genau macht. Strategiegeheimnis.

Trotzdem: Vergleiche sind ja zuässig. Auch jetzt schon gibt es Verbote, die im Umkreis von bestimmten Örtlichkeiten wirken. Ein Beispiel ist zu Silvester das Böllerverbot in der Nähe von Kliniken und brandgefährdeten Fachwerkhäusern - in Gifhorn gelten 300 Meter. Bisher sei die Kontrolle in Gifhorn allerdings kein Problem gewesen, so Nowak: „Zum Glück befindet sich in der Nähe vom Klinikum kaum etwas.“ Und in Sachen Fachwerkhäuser seien bisherige Verstöße meistens eindeutig gewesen - „also zum Beispiel auf dem Bürgersteig davor“. Im Verdachtsfall müsse die Polizei es eben genauer prüfen. Die Entscheidung, ob ein Abstand eingehalten wurde oder nicht, obliege allerdings letztlich einem Richter, wenn es hart auf hart kommt.