Gifhorn. Schüler des Otto-Hahn-Gymnasiums experimentieren am Energiemobil und diskutieren, welche Technik das Klima retten könnte.

Die Schüler des Otto-Hahn-Gymnasiums in Gifhorn erfahren zurzeit am eigenen Leib, dass es mit dem gehypten Wasserstoff so eine Sache ist: Um den zu erzeugen, muss man nämlich eine große Menge Energie zur Verfügung haben - in diesem Fall in den Muskeln. Zu solchen Experimenten lädt zurzeit das Energiemobil im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf dem Schulhof ein. Wir haben den Physik-Leistungskurs des 13. Jahrgangs von Lehrer Thomas Trampenau begleitet und nach den eigenen Vorstellungen von der Energiewende befragt.

Der Physik-Leistungskurs des 13. OHG-Jahrgangs experimentierte am Donnerstag am Energiemobil.
Der Physik-Leistungskurs des 13. OHG-Jahrgangs experimentierte am Donnerstag am Energiemobil. © FMN | Reiner Silberstein

„Puh! Das war anstrengend“, sagt Claas und steigt vom aufgebockten Fahrrad, „ich bin ziemlich aus der Puste!“ Der Gymnasiast hatte gerade mächtig in die Pedalen getreten, um den Strom für den Elektrolyseur zu erzeugen, der Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff zersetzt. „Das waren 90 Watt“, lobt Felix Dunkl, der das Mobil als Projektleiter konzipiert und gebaut hat, „das hätte für die Waschmaschine oder einen Fernseher gereicht.“ Aber eben nur für 30 Sekunden.

Der Physik-Leistungskurs des 13. OHG-Jahrgangs experimentierte am Donnerstag am Energiemobil.
Der Physik-Leistungskurs des 13. OHG-Jahrgangs experimentierte am Donnerstag am Energiemobil. © FMN | Reiner Silberstein

Das Mobil der Organisation Wissenschaft im Dialog ist mit lauter Exponaten zu den Themen Solarenergie, Windkraft, Energiewende und Design ausgestattet und tourt durch die ganze Bundesrepublik. „Hier geht es darum, ein Gefühl für Energie zu bekommen“, sagt Dunkl. Und: „Alle reden von Wasserstoff. Wir machen ihn hier greifbar.“ Nicht nur mit Besuchen in Schulen, auf Marktplätzen und vor Unis, sondern zum Beispiel auch mit Video-Wettbewerben und Maker-Events. Ab kommende Woche steht das Mobil offen für alle im Phaeno in Wolfsburg.

Der Physik-Leistungskurs des 13. OHG-Jahrgangs experimentierte am Donnerstag am Energiemobil.
Der Physik-Leistungskurs des 13. OHG-Jahrgangs experimentierte am Donnerstag am Energiemobil. © FMN | Reiner Silberstein

E-Autos statt Verbrenner, aber es fehlen die Emotionen

Die Schüler sollen beim Experimentieren darüber nachdenken und diskutieren, wie eine klimaneutrale Energiewende gelingen kann. Die 18-jährige Anna kennt sich schon aus mit Photovoltaik: „Wir haben zuhause seit einem halben Jahr vier Panels auf dem Dach.“ Eine App zeige, wie viel Strom damit schon erzeugt wurde und wie viel Geld die Eltern gespart haben: „Rund 200 Euro“, sagt Anna - gut für den Geldbeutel und fürs Klima.

Für Mehmet (19), der gerade auf die 3D-Brille für die virtuelle Welt im Jahr 2045 wartet, bedeutet Energiewende der Wechsel vom Verbrennungs- zum E-Motor. Aber Begeisterung sieht anders aus: „Ich bin ein Auto-Enthusiast, mir gefallen V8-Motoren besser. Die Emotionen kann mir ein E-Motor nicht geben.“ Solche Autos seien seines Erachtens nur etwas für die Stadt.

Der Physik-Leistungskurs des 13. OHG-Jahrgangs experimentierte am Donnerstag am Energiemobil.
Der Physik-Leistungskurs des 13. OHG-Jahrgangs experimentierte am Donnerstag am Energiemobil. © FMN | Reiner Silberstein

Der 19-jährige Hannes steckt seine Hoffnungen für die Zukunft in Kernfusionsreaktoren: „Die Menge der erzeugten Energie ist enorm! Die Reaktoren können nicht explodieren, der Abfall ist nicht radioaktiv.“ Nur: Es gibt sie bisher nur in kleinen Test- und Forschungsversionen. „Solaranlagen sind auch gut, müssen aber noch weiterentwickelt werden“ - die Effizienz sei noch nicht am Limit.

Projektbegleiterin Marie Neubert bittet die Schüler zu Workshop und Diskussionsrunde in einen Unterrichtsraum. Dort sollen sie verschiedene Thesen nach „vorstellbar“ / „nicht vorstellbar“ und „erwünscht“ / „nicht erwünscht“ sortieren. Arbeiten, nur wenn ausreichend Sonnenstrom verfügbar ist? „Kannst du nicht machen!“, heißt es unisono. Ein CO2-Budget für jeden Menschen? „Was hilft es denn, wenn ich E-Auto fahre und dieses dann mit Kohlestrom geladen wird?“, fragt ein Schüler. Ein Energiefreier Tag in der Woche? Wohl eher nicht - obwohl: „Ich fände es ja witzig, mal mit dem Fahrrad über die Autobahn zu fahren“, meint Mathis (18).

Streaming-Kanäle auf zwei Stunden pro Tag beschränken? „Never!“

Die Runde kann sich durchaus vorstellen, dass Produkte mal nach ihrem CO2-Rucksack bepreist werden, das Photovoltaikanlagen über Parkplätze und Autobahnen gebaut werden, dass Smartphones allein in der Sonne laden - „wie früher alte Taschenrechner“. Kostenloses Bahnfahren für alle? „Wie geil!“ Aber Frachtschiffe mit Segeln - da macht sich Skepsis breit. Kleidung aus recycletem CO2? „Das braucht bestimmt zu viel Energie, wird zu teuer.“

In einigen Dingen sind sich die OHGler aber ziemlich einig: Kinos und Schwimmbäder, die nur öffnen, wenn genug Strom zur Verfügung steht, wollen sie einfach nicht haben, auch wenn es Energie spart. Streaming-Kanäle auf zwei Stunden pro Tag beschränken? „Never!“ Den Vorschlag, Stühle in der Schule gegen Strom erzeugende Fahrräder zu tauschen, nehmen sie gar nicht erst ernst.

Langsam wird klar, dass irgendwer Entscheidungen treffen muss, was umgesetzt werden muss und was nicht. Lehrer Trampenau gibt den Schülern einen Hinweis mit auf den Weg: „Ihr müsst später die Frage klären, ob jeder Widerstand gegen technische Projekte noch sein darf. Vielleicht lohnt es sich ja für den einen oder anderen von euch, in die Poltik zu gehen.“

Draußen auf dem Schulhof denkt der 13-jährige Kurt wohl schon darüber nach: „Die Regierung ist immer zu spät mit allem, sie hätte schon vor 20 Jahren etwas machen können. Jetzt ist es mittlerweile schon fast zu spät für große Veränderungen.“ Trotz solcher Einstellungen ist Projektleiter Dunkl zuversichtlich: „Ich habe das Gefühl, die Welt ist doch nicht so schlecht. Viele Menschen haben gute Ideen. Das ist schön.“