Gifhorn. Eine knappe Mehrheit von einer Stimme reicht, um den Plan, die Müllabfuhr im Kreis Gifhorn mit kommunaler Beteiligung zu regeln, platzen zu lassen.

Mit einer Stimme Mehrheit stoppte der Gifhorner Kreistag am Mittwoch den Plan, die Müllabfuhr in die Hände einer öffentlich-privaten-Partnerschaft (ÖPP) zu legen. Damit sind die Pläne einer teilweisen Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft im Landkreis Gifhorn gescheitert - sehr zum Ärger der Kreisverwaltung, der SPD und der Gruppe Grüne/Die Fraktion, die klare Befürworter des Vorhabens waren und sind. Am Ende stimmten 29 Kreistagsabgeordnete für einen Änderungsantrag von CDU, Unabhängigen und FDP, die damit eine erneute europaweite Ausschreibung und Vergabe an ein privates Unternehmen durchsetzten. Auch die AfD und der Kreistagsabgeordnete Andreas Kautzsch (Bürger-Interessengemeinschaft Sassenburg) stimmten für den Änderungsantrag, 28 waren dagegen, dazu gehörte auch Landrat Tobias Heilmann. Von einer persönlichen Niederlage wollte er auf Nachfrage nicht sprechen, eher von einer Niederlage für den Landkreis Gifhorn.

CDU-Fraktionsvorsitzende: „Wir wollen das bestehende System nicht ändern“

Dabei war alles professionell vorbereitet worden. Der Landkreis hatte eine Unternehmensberatung beauftragt, die Eckdaten für ein ÖPP-Modell zu erarbeiten. In nichtöffentlicher Kreistagssitzung sollte am Mittwoch über den nächsten Schritt entschieden werden. Dazu kam es dann nicht mehr, der Landkreis zog die Vorlage zurück. Sie war überschrieben mit: Eckpunkte zur Durchführung einer EU-weiten Ausschreibung zur Vergabe der Müllabfuhr an eine noch zu gründende ÖPP-Gesellschaft.

Vorausgegangen war eine intensive Diskussion. Dass das Thema überhaupt in öffentlicher Sitzung besprochen wurde, ging auf einen Antrag der AfD-Fraktion zurück, die sich unter der Überschrift „Aus Fehlern lernen – Rekommunalisierung stoppen“ dafür einsetzte, die Müllabfuhr erneut europaweit unter privaten Anbietern auszuschreiben. Stefan Marzischewski-Drewes nannte den ÖPP-Plan „ein ideologisches parteipolitisches Projekt“, für das die Kreisverwaltung personell und finanziell überlastet sei. Er verwies auf die Stadt Hannover, deren kommunale Müllabfuhr eine der teuersten in Deutschland sei.

CDU-Fraktionsvorsitzende Telse Dirksmeyer-Vielhauer stellte klar: „Wir wollen das bestehende System nicht ändern.“ Es seien erhebliche Anfangsinvestitionen in einen Betriebshof, Fahrzeuge, eine Personal GmbH erforderlich. Kostensteigerungen müssten unweigerlich von den Gebührenzahlern getragen werden. Sie sprach von „einem Riesengebilde“, das da entstehe. Vorwürfe, die CDU habe nicht zuverlässig im Arbeitskreis mitgearbeitet, wies sie mit Entschiedenheit zurück.

Nach zwei ablehnenden Meinungen war das der Zeitpunkt für Kreisrätin Ute Spieler, noch einmal vehement für das ÖPP-Modell zu werben. Sie verwies auf gute Erfahrungen anderer Kommunen, auf ein deutlich größeres Interesse der Unternehmen an einem ÖPP-Modell und schickte mahnend in die Runde, dass ein Ausstieg aus dem Projekt „die bisherige Arbeit ad absurdum führen würde“. Damit verbunden sei auch die Frage, wie verlässlich Politik ist. Außerdem hätte ein erneuter Kurswechsel finanzielle Folgen. Der Landkreis habe bereits 125.000 Euro für das ÖPP-Projekt ausgegeben.

Tim Stein (SPD) erinnerte daran, dass bei der letzten Ausschreibung der Remondis-Preis weit über dem marktüblichen Preis gelegen habe. Das ÖPP-Modell habe einen ganz anderen volkswirtschaftlichen Ansatz. Er sei persönlich enttäuscht von der CDU und warf ihr Populismus vor. Noch deutlicher in Richtung Rekommunalisierung argumentierte Nicole Wockenfuß (Bündnis 90/Die Grünen). Das ÖPP-Modelll sei schon ein Kompromiss. Mittlerweile werde bundesweit jede zweite Mülltonne von Kommunen abgeholt. Privaten Unternehmen gehe es um Gewinnmaximierung, der Landkreis ist hingegen keinen Aktionären verpflichtet. Müll sei der Rohstoff der Zukunft. Und nur wenn die Abfallwirtschaft in der Hand des Landkreises liege, „können wir entscheiden, was passiert“.

Andreas Kautzsch (Bürger-Interessengemeinschaft Sassenburg) stellte klar, dass er dagegen ist, ein funktionierendes System abzuschaffen. Ähnlich sah es Jürgen Völke (Unabhängige). Er sah in einer Mitarbeit im Arbeitskreis wenig Sinn, wenn das Ziel von vornherein feststeht und das sei die komplette Kommunalisierung.

Appell des SPD-Landtagsabgeordneten Philipp Raulfs hilft nicht

Schließlich ein letzter Versuch vom SPD-Land- und Kreistagsabgeordneten Philipp Raulfs, der noch einmal alle rhetorischen Register zog und an die CDU appellierte: „Wir sind uns alle einig, dass sich im Bereich der Müllabfuhr etwas tun muss. Am Ende tragen wir alle gemeinsam die Verantwortung.“ Es gebe einen Kompromiss, der zwischen Rekommunalisierung und kompletten Ausschreibung liegt. Es wäre ein starkes Signal, wenn dieser Kompromiss von einer deutlichen Mehrheit getragen werde. Dazu kam es dann nicht. Und auch nicht zu einer namentlichen Abstimmung, wie es die AfD gefordert hatte.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar „Wacklige Rolle rückwärts“.