Calberlah. Lea Hüser aus Calberlah und ihr Hund Mia radeln von Essen nach Santiago de Compostela und zurück nach Mainz – so könnt ihr sie begleiten.

Freitagmittag kurz vor 13 Uhr. In Bayonne, einer 50.000-Einwohnerstadt im französischen Teil des Baskenlandes, scheint die Sonne. Vom Atlantik weht eine leichte Brise rüber. Lea Hüser und ihr Hund Mia machen Mittagspause. Die erste Hälfte der Tagesetappe liegt schon hinter ihnen. „Noch 30 Kilometer, dann sind wir in Spanien, echt verrückt“, freut sich die 26-Jährige. Verrückt deshalb, weil die beiden vor vier Wochen in Essen gestartet sind und, Lea checkt ihre Tracking-App, bisher 1878 Kilometer zurückgelegt haben – mit dem Rad, auf vier Pfoten und im Hundeanhänger.

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In Calberlah aufgewachsen, in Wolfsburg Abi gemacht und jetzt auf großer Tour

Lea Hüser ist in Calberlah aufgewachsen, hat in Wolfsburg Abi gemacht und kommt immer wieder gern nach Hause. Ihre Eltern wohnen in Calberlah, viele Freunde aus Schulzeiten in der Umgebung. Dort kam ihr über Weihnachten die Idee für ihr ungewöhnliches Projekt. Drei Monate Auszeit hat sie sich genommen. Drei Monate, in denen die beiden für einen guten Zweck radeln. Mit jedem gefahrenen Kilometer unterstützen Lea, Mia und alle Spenderinnen und Spender, die von Cycling for Minds, begeistert sind, die Stiftung Deutsche Depressionshilfe.

30 Tage sind die zwei jetzt unterwegs, 2177 Euro an Spenden sind bisher zusammengekommen. Mühlheim, Duisburg, Krefeld, Viersen heißen die ersten Stationen. Ausgerechnet am ersten Tag springt ihr ein kleiner Hund ins Rad. Lea kann nicht mehr bremsen, stürzt beim Ausweichversuch. Es bleibt bei ein paar leichten Blessuren, der kleine Hund ist unverletzt. Danach läuft’s für die zwei. Über Lüttich, Charleroi nach Paris. 14 Tage später sind sie in Montargis. „Unglaublich wie schnell 2 Wochen vergehen! Und wir haben in dieser kurzen Zeit so viel erlebt, dass es mir so vorkommt, als ob wir schon viel länger unterwegs sind!“, schreibt sie auf ihrem Instagram-Account Cycling for Minds. Wer möchte, kann ihre Reise dort verfolgen. Lea postet mal Bilder, mal kleine Clips und erzählt von ihren Erlebnissen.

Eine Fahrradreise mit Hund hat Hüser ihr Projekt überschrieben. Nicht irgendeine. Es ist die Reise ihres Lebens, schreibt sie. „Unser Ziel ist es mit jedem Kilometer Geld für die Deutsche Depressionshilfe zu sammeln, da gerade durch die Pandemie die Anzahl der Betroffenen enorm gestiegen ist.“ Die 26-Jährige erzählt von Freunden, Bekannten in ihrem Alter, die von Depressionen betroffen waren – und keine Chance hatten, einen Therapieplatz zu bekommen. In ihren Blog auf www.cyclingforminds berichten Betroffene: „Also habe ich mir Hilfe gesucht, was wirklich nicht leicht war… sag mal jemandem mit einer Depression, dass er sich selbst motivieren soll, einen Therapieplatz zu finden… 50 Therapeuten anzurufen, um festzustellen, wie kaputt unsere Gesellschaft ist, dass so viele Menschen einen Therapieplatz benötigen, aber keiner so richtig drüber spricht. Es ist ja schließlich ein Tabuthema.“

Hüser möchte dazu beitragen, dass dieses Tabuthema keins mehr ist. Die Managerin hat in dem E-Commerce Unternehmen für Pferdepflegeprodukte gekündigt, ihre Wohnung in Dortmund aufgelöst und sich drei Monate frei genommen. Das Geld dafür hat sie gespart, auch die knapp 2000 Euro für ihr neues Fahrrad. Den Hundeanhänger hat sie bei ebay gefunden, das Hilleberg-Zelt, fast 30 Jahre alt, stammt aus Familienbesitz.

Und obwohl sie zuvor lieber zu Fuß als mit dem Rad unterwegs gewesen ist, sagt sie mittlerweile: „Mit dem Fahrrad habe ich für mich die ideale Reisegeschwindigkeit.“ Außerdem lässt sich ein 4-Kilo-Sack Hundefutter mit dem Fahrrad allemal leichter transportieren als mit dem Rucksack.

Über Angoulême und Bordeaux hat sie Dienstagabend die Dune du Pilat bei Arcachon erreicht. „Dort auf der Düne zu stehen und den Sonnenuntergang zu genießen, das war großartig“, erzählt sie am Telefon. Die Route ihrer allerersten Bikepacking-Tour orientiert sich in erster Linie an den Eurovelo-Routen, quasi Pilgerwege für Radfahrer.

Bikepacking-Tour orientiert sich an Pilgerwegen für Radfahrer

In diesen Tagen allerdings hält sie sich nicht ganz daran. „Wir haben heute noch 500 Höhenmeter vor uns und bleiben weitestgehend an der Küste“, erklärt sie. Auf der Euro-Velo-Route wären es auf 10 Kilometern 900 Höhenmeter gewesen. Das erinnert ein bisschen an die Tour de France. Doch bei aller sportlichen Herausforderung soll Leas Reise ja auch Freude bereiten. „Ich bin einfach unglaublich glücklich darüber, wie freundlich die Menschen immer wieder sind.“ Sie habe so tolle Menschen getroffen, wurde so herzlich aufgenommen. Da sind die bisher sechs platten Reifen, drei neuen Mäntel fürs Hinterrad, eine hakelnde Schaltung und lose Speichen schnell vergessen.

Noch bis Ende Juli sind Lea und Mia, ein Mix aus Border Collie und Dalmatiner, unterwegs. Mainz ist ihr Ziel. Dort möchte sie ihren Master in Strategic Management and Consulting machen. Obwohl Calberlah auch ein perfektes Ziel gewesen wäre. „Meine Eltern hätten sich mega gefreut.“