Meinersen. Der Sieg vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg bringt Meinersen wenig. Das hat sich in den vergangenen zwei Monaten getan – und das nicht.

Das Regionale Raumordnungsprogramm mit seinen Windkraft-Vorranggebieten von 2020 ist unwirksam. Das hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg im Dezember entschieden. Doch der Regionalverband Braunschweig macht erst mal weiter wie bisher. Und Prozesssieger Meinersen?

Der Verband hat am 25. Januar beim OVG eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, weil die Revision des Urteils nicht zugelassen ist. Zu schwerwiegend waren aus Sicht der Lüneburger Richter die Mängel der Satzung. Es fehlt der Satzungsbeschluss, ein Ewigkeitsfehler.

Inhaltlich ist das von der Samtgemeinde Meinersen angefochtene Vorranggebiet Seershausen 01 zudem ungeeignet, weil es eine Hubschrauber-Tiefflugstrecke der Bundeswehr stört. Dass in dem Vorranggebiet also Windräder genehmigt würden, sei gar nicht sicher, so das Gericht (Az.: 12 KN 101/20).

Aus Sicht des Regionalverbands gilt dennoch: „Die bisherige Planung bleibt gültig.“ Das geht aus einem Leitfaden zum „Stand des Verfahrens im Februar 2023“ hervor, den der Regionalverband auf seiner Internetseite veröffentlicht. Bis das Gericht über die Nichtzulassungsbeschwerde entschieden habe, ändere sich nichts: Das Raumordnungsprogramm ist „weiter wirksam und anzuwenden, solange das Urteil nicht rechtskräftig ist“, teilt Andrea Angerer vom Regionalverband mit.

Bestandsschutz für genehmigte und gebaute Windparks

Neue Anträge für den Bau von Windparks müssten die Kommunen wie der Landkreis Gifhorn auf der Grundlage der angefochtenen Planung bearbeiten. Auf bereits genehmigte Anlagen habe das Urteil grundsätzlich keine Wirkung, das hatte der Regionalverband gleich nach dem Urteil am 14. Dezember klargestellt.

In der Zwischenzeit prüfe der Regionalverband, ob sich die Fehler im Raumordnungsprogramm durch ein ergänzendes Planverfahren korrigieren ließen. Wegen der von Bund und Land nochmals erweiterten Vorgaben zu Windkraft-Flächen für die Energiewende plane der Verband „die Vorranggebiete Windenergienutzung in der Raumordnung neu“. Flächen, die in der Zeit bis 2020 entfallen seien, würden wieder betrachtet. Angerer: „Bei der Neuplanung werden Potenzialflächen neu ermittelt. Der Verband wird den gesamten Planungsraum erneut betrachten.“

Nichts gewonnen also für Seershausen? Keineswegs, betont der stellvertretende Planungs-Fachbereichsleiter der Samtgemeinde Meinersen, Daniel Buhr: „Das Vorranggebiet bei Seershausen ist aufgehoben und der Weg für eine eigene Steuerung von Windenergieanlagen durch die Gemeinde frei.“

Die Erfolgsaussichten des vom Regionalverband beschrittenen Rechtswegs wertet Buhr als „offen“. Was die Genehmigung von Windkraftanlagen angehe, sieht auch Buhr keine direkten Auswirkungen des OVG-Urteils: „Windenergie ist kraft Gesetzes generell im Außenbereich genehmigungsfähig.“

Die große Vorrangfläche in Seershausen allerdings nicht und hier plane die Gemeinde nun „die Fortführung des laufenden Bebauungsplanverfahrens“. Nach den Plänen des Regionalverbands hätten Investoren hier bis zu elf Rotoren auf 123 Hektar platzieren können.

Genau das hatte die Bürgerinitiative Seershausen um Wolfgang Nicks und Dirk Pollmeier verhindern wollen. Im jahrelangen Planverfahren hatte die BI dem Regionalverband mehrfach ihre Vorbehalte detailliert erläutert – vergeblich.

Nun sieht sich Pollmeier bestätigt: „Leider ist es dem Regionalverband nach achtjähriger Planungszeit nicht gelungen, eine fehlerfreie Windkraft-Planung zu erstellen.“ Der Seershausener macht aus seiner Sicht klar, wo es auch laut Gericht inhaltlich hakte: „Obwohl absehbar war, dass auf der Fläche Seershausen 01 wegen einer Hubschrauber-Tiefflugstrecke keine Windenergieanlagen gebaut werden können, wurde diese Vorrangfläche ausgewiesen. Damit wurden andere Potenzialflächen in der Samtgemeinde Meinersen blockiert und ausgeschlossen. Das führte zu einer erheblichen Reduzierung des Gesamtpotenzials für Windenergienutzung in der Samtgemeinde.“

Das könnten Kommunen nach dem Urteil besser machen

Vor allem vielversprechende und von Investoren begehrte Flächen in der Stölpser Heide zwischen der Nachbargemeinde Hillerse und Rietze im Kreis Peine entfielen wegen der Nähe zu Seershausen.

Auf die Einsicht der Regionalplaner setzt Pollmeier selbst nach dem eindeutigen Urteil nicht: „Der Regionalverband gesteht seine Fehler nicht ein, sondern beklagt die Rechtsprechung in der Form, dass kleinere Fehler in der Planung zur Nichtigkeit führten.“ Doch Tatsache sei, dass der Verband „einen kapitalen und grundsätzlichen Verfahrensfehler“ begangen habe. Hier sei Demut angebracht.

Pollmeier setzt nun darauf, dass in Meinersen, aber auch andernorts die Kommunen die Steuerung bei den Ausbauplänen für Windkraft übernehmen: „Daraus ergeben sich Chancen für einen schnelleren und umfassenderen Ausbau der Windenergie in der Region Braunschweig.“

Formalrechtlich läuft es übrigens nach der Nichtzulassungsbeschwerde nun so: Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg übermittelt die Akten dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zur Entscheidung – „nach Eingang der Beschwerdebegründung“, wie es auf Anfrage aus Leipzig hieß. Diese Begründung des Regionalverbands fehlt noch. Auf dem Rechtsweg lassen sich die Braunschweiger erkennbar Zeit.