Gifhorn. Gifhorns Storchenbeauftragter Hans Jürgen Behrmann berichtet von dramatischen Nestkämpfen in Zahrenholz und Weyhausen.

Endlich mal eine gute Nachricht: In Rothemühle wird in diesen Tagen der erste Storchennachwuchs des Jahres 2020 im Kreis Gifhorn erwartet. Das berichtet Hans Jürgen Behrmann, Storchenbeauftragter des Landkreises. Bereits am Mittwoch könnten die Jungtiere schlüpfen. Wie Behrmann erläutert, habe das Paar am 13. März mit dem Brüten begonnen.

Die große Storchenfamilie wächst in den nächsten Tagen weiter: Paare in Wesendorf, Wahrenholz und Leiferde erwarten in Kürze ebenfalls Nachwuchs. Bei Fridolin und seiner Mai wird es noch bis nächste Wochen dauern. Behrmann nannte den 28. April als voraussichtlichen Termin. Der Hausstorch des Artenschutzzentrums war bereits am 9. Februar aus dem Winterquartier zurückgekehrt, Mai folgte am 18. Februar. Und dann konnte es den beiden gar nicht schnell genug gehen. Fridolin, der schamlose Schelm, kannte keine Hemmungen – selbst vor der Chefin nicht. Während Bärbel Rogoschik, Leiterin des Nabu-Artenschutzzentrum in Leiferde, in einer Pressekonferenz den Tätigkeitsbericht für 2019 vorstellte, bestieg Fridolin seine Storchendame – vor laufender Kamera. Die Livecam auf dem alten Schornstein des Artenschutzzentrums wird in diesen Tagen rege geklickt von Menschen aus der ganzen Welt.

Für das Artenschutzzentrum ist die Livecam auch ein wichtiges Instrument der Öffentlichkeitsarbeit – zumal das Storchenfest am 26. April nicht stattfinden wird. „Das dies grade in unserem 40. Jubiläumsjahr so ist, trifft uns alle sehr“, berichtet Rogoschik. Das gilt umso mehr, weil die Not im Artenschutzzentrum besonders groß ist.“ Aufgrund der wegfallenden Einnahmen geraten die Tierretter an den Rand des Existenzminimums. Daher ist jede Spende, sei sie auch noch so klein, herzlich willkommen, betont Rogoschik.

Dramen ganz anderer Art spielen sich gelegentlich in und um die Horste der Störche ab. Aktuelles Beispiel: in Zahrenholz bei Oesingen starb ein Storch nach der Attacke eines Fremdstorchs. Vergangenen Mittwoch hatte es der Fremdling auf das Nest eines noch brütenden Paars abgesehen. „Es gab Kämpfe. Der Fremdstorch flog dann auf den 26 Meter hohen, schon seit vielen Jahren stillgelegten Schornstein in der Ortsmitte. Ein Neststorch, vermutlich das Männchen, versuchte, ihn auch von dort zu vertreiben. Dabei verlor es das Gleichgewicht und stürzte in den Schornstein“, resümiert Storchenbeauftragter Behrmann aktuell auf der Internetseite Störche in den Landkreisen Gifhorn und Celle. Eine Rettung war nicht möglich, weil der Zugang zugemauert ist und ein Aufstemmen zu gefährlich gewesen wäre. „Schweren Herzens mussten wir den abgestürzten Storch, falls er noch leben sollte, seinem weiteren Schicksal überlassen“, so Behrmann. „Ich werde umgehend mit den zuständigen Stellen Kontakt aufnehmen, damit als erstes der Schornstein einen Deckel bekommt.“

Von kampfeslustigen Störchen berichtet auch Tierfotografin Rita Lunde. In Weyhausen-West an der Bundesstraße 188 hatte sich der Storch DEW 4T 434 – der Name entspricht seiner Beringung – Ende März mit drei anderen Störchen einen erbitterten Kampf um das Nest geliefert. „Dieser Storch hat in seinem bisherigen Leben schon einiges erlebt. 2015 in Hohne aufgewachsen, rutschte er bei seinem ersten Flugversuch vom Dachfirst ab und knallte auf einen Steinboden“, so Behrmann. In die Pflege nach Leiferde gebracht, erbrach er kurz darauf ein dickes Knäuel Loom-Gummiarmbänder – achtlos weggeworfener Wohlstandsmüll, den er irrtümlich für Regenwürmer gehalten hatte.

Seit drei Jahren versucht er nun in Weyhausen heimisch zu werden. Im Nest an der B 188 hat es nicht geklappt. Zwar konnte er sich gegen die anderen drei Männchen durchsetzen, allerdings währte der Sieg nur einen Tag. Er wurde vertrieben, ließ sich auf dem Nest Weyhausen-Süd nieder und hatte es dort wenig später mit sechs Angreifern zu tun. Er wurde knapp über dem Auge verletzt, blieb aber im Nest. Und siehe da: zu Ostern hat sich dort auch eine Störchin niedergelassen.

Die Störchin in Zahrenholz blieb nach dem dramatischen Schornstein-Tod ihres Partners auch nicht lange allein: Nur einen Tag später durfte ein neuer Partner ins Nest. „Es kam zu ersten Paarungen“, berichtet Behrmann.

Mittlerweile sind mehr als 90 Störche im Landkreis Gifhorn angekommen. Die Zahl der Storchenpaare liegt derzeit bei rund 40. Im vergangenen Jahr gab es 55 Storchenpaare und 80 flügge gewordene Jungstörche. Behrmann rechnet noch bis in den Mai hinein mit Rückkehrern aus Afrika. Ein genaues Bild zur Storchenpopulation gebe es in der zweiten Maihälfte. Der Storchenbeauftragte erwartet, dass sie sich ähnlich erfreulich wie in den vergangenen zwei Jahren entwickelt: „Die Tafel ist reich gedeckt.“ Angesichts der trockenen Sommer gebe es eine Vielzahl von Mäusen, die auf dem Storchen-Speiseplan ganz oben stehen.