Ehra. Sybille Schnehage aus Bergfeld berichtet anlässlich ihres dritten Buchs „Kunduzsohn“ über die dortige Gesellschaft.

Als Sybille Schnehage auch Themen wie Mord, Vergewaltigung und absurde Prozessurteile fernab von Gerechtigkeit in Afghanistan anschnitt, war es mucksmäuschenstill im Mosaik in Ehra. Was die Bergfelderin in 30 Jahren Entwicklungsarbeit in der Provinz Kunduz erlebt und von Menschen vor Ort gehört hat, geht unter die Haut.

An ihren Lippen hingen rund 20 Zuhörer am Dienstag den ganzen Abend über. Grund ihres Besuchs war die Vorstellung ihres dritten Buchs „Kunduzsohn“, zu der der Förderverein Ehra-Lessien, ein Dorf – ein Team unter der Vorsitzenden Jenny Reissig eingeladen hatte. In dem Buch geht es um einen Afghanen, der sich der Taliban anschließt und nach Deutschland kommt. Doch statt einer klassischen Lesung machte Schnehage mit Bildern und persönlichen Erlebnisberichten neugierig. Sie zeigte Orte, an denen sie war, Menschen, denen sie mit ihrem Verein Katachel durch Nähkurse, Gummistiefelspenden, Patenschaften oder Schulbauten das Leben ein Stück weit erleichtern konnte. Dadurch sollte der Leser später bei der Lektüre ein Bild im Kopf haben, wie die kulturell bedingten Zustände in Afghanistan sind. Und dabei nahm Schnehage bewusst kein Blatt vor den Mund. Wer ein Mädchen heiraten wolle, brauche 5000 Dollar, um eines zu kaufen. Wer das Geld nicht habe, „klaut sie von der Straße weg“. In den Familien lebten oft mindestens zehn Kinder. Alle zu ernähren, bringt sie an ihre Grenzen. „In Afghanistan liegt der Bevölkerungszuwachs bei 2,5 Prozent pro Jahr. Kinder gelten als Exportschlager so wie wir Autos produzieren.“ Die Folge: Immer mehr Menschen lebten auf engstem Raum, viele seien arbeitslos, wertvolle Reisfelder, mit denen man sich eine Existenz aufbauen könnte, würden mit Lehmhäusern bebaut. Die Folge: Viele flüchteten nach Europa -- mit dem Ziel, vom Wohlstand zu profitieren, um später wieder zurückzukehren. Eine illusorische Vorstellung, die viele Medien genährt hätten. „Sie fallen aus allen Wolken, wenn sie hierher kommen und es anders erleben.“ Die Folge: Frustration. Mit leeren Händen nach Hause zu kommen, bedeute, sein Gesicht zu verlieren. „Die wirklich Verfolgten und Armen in Afghanistan können sich keinen Schlepper leisten!“ Wer zum Beispiel Witwe ist, habe rein gar nichts. „Wir wissen gar nicht, was Armut ist.“