Wenn schon kein Schnee draußen liegt, kann man dem Winter wenigstens in Museen der Region begegnen.

Dass der Mann friert, sieht man auf den ersten Blick. Fast nackt steht er auf seinem Sockel, das Hemd zerfetzt, dass gerade die ärgste Blöße noch bedeckt wird, der Bart im Wind gezaust, der Oberkörper schützend eingeknickt mit einem Arm vor der Brust, um die Restwärme zu bewahren. Ein Feuer lodert eben noch, aber nicht mehr hinreichend zu seinen Füßen.

Ein alter Mann ist es, dem der Winter ganz offenbar in seinen Knochen steckt. Nicht bloß die Jahreszeit, auch die Lebenszeit neigt sich dem Ende. Die Adern treten an seinen dünnen Gliedern hervor. Und das alles aus Elfenbein geschnitzt, ein Weiß, dass die Nacktheit noch unterstreicht.

Joos de Momper/Jan Brueghel: „Vier Jahreszeiten: Winter“.
Joos de Momper/Jan Brueghel: „Vier Jahreszeiten: Winter“. © cordes/herzog-anton-ulrich-museum

Balthasar Permoser hat mit seiner Skulptur des Vulkanus, des Gotts des Feuers und der Schmiede, eine treffliche Allegorie des Winters geschaffen. Sie zeigt, wie man sich gegen die Kälte schützt, und die Kälte selbst, das Frieren, die Blöße, die schwindenden Lebensgeister. Das alles nicht nur naturalistisch genau wie in einer Anatomiestudie, sondern in direktem, fast expressionistisch zugespitztem Ausdruck, weit entfernt von barocker Zier und Prunksucht. Dafür waren eher seine anderen Jahreszeitenkollegen zuständig, der sexy Bacchus mit dem herbstlichen Wein und die leichtgeschürzte Ceres mit den Ährengarben des Sommers.

Das Herzog-Anton-Ulrich-Museum hat die beiden männlichen Götter noch eben vor Ende von Direktor Jochen Luckhardts Amtszeit zurückerwerben können, damit das Permoser-Quartett wieder vollständig ist wie zu Anton Ulrichs Zeiten.

Balthasar Permoser: „Vulkanus“, Personifikation des Winters, Elfenbein, 1775/76.
Balthasar Permoser: „Vulkanus“, Personifikation des Winters, Elfenbein, 1775/76. © cordes/ HAUM

Noch eine andere Allegorie des Winters birgt das Museum, eine seltene Arbeit aus Wachs, um 1700 gefertigt. Auch der Mann friert, aber man sieht es im Gegensatz zu Permoser nicht an seiner Nacktheit, sondern an der Dicke seiner Kleidung. Der hingekauerte Mann trägt einen üppigen Mantel mit Pelzbesatz, für den sogar echter Pelz und Katzenhaar eingearbeitet wurde. Er wärmt sich an einem Kohlenkessel auf seinem Schoß, in dem wiederum echte Holzkohlen und Kupferspäne die Glut imitieren.

Wenn der Winter auch gerade nicht in unserer Region stattfindet, nur im Harz, so kann er doch auf Gemälden aus einer anderen Klimaperiode noch besichtigt werden. Auf Joos de Mompers Winter-Bild von 1615 liegt auch nicht gerade übermäßig Schnee, aber die Dächer sind überreift, der See vor der Stadt ist zugefroren und zeigt Menschen beim Schliddern.

Die Bürger und Kinder im Vordergrund, die sich offenbar an Marktständen mit bestimmten, vielleicht für die Winterfesttage typischen Waren eindecken, hat vermutlich Mompers Freund Jan Brueghel beigesteuert, solche Arbeitsteilung war üblich. Die Menschen sind aber bereits mehr als Staffage-Figuren in einem Landschaftsgemälde, das noch in göttlicher Draufsicht die Wohlgeordnetheit der Schöpfung in ihrem Wechsel der Jahreszeiten zeigen sollte. Und natürlich an die eigene Vergänglichkeit gemahnen, die jeder Mensch gerade im Winter noch allzu körperlich spüren konnte.

Die Figuren ergeben bereits kleine Szenen und entwickeln sich hin zum Genrehaften, wie es auch die Schlittschuhläufer und Eishockeyspieler auf Hendrik Averkamps sehr freundlichem Winterbild aus dem Städtischen Museum Braunschweig vertreten. Der Winter wirkt dort kaum mehr bedrohlich, sondern ist Anlass für Vergnügen. Die rasanten Schlittschuhläufer auf Carl Hilgers’ Eisfläche von 1862 scheinen gar eine erotisch motivierte Verfolgungsjagd zu vollführen.

Dagegen hat Aert van der Neer um 1665 seine friedliche Winterlandschaft aus dem Anton-Ulrich-Museum mit den Eisläufern und dem Pferdeschlitten auf dem Eis in ein winterlich mildes, melancholisches Abendsonnenlicht getaucht. Unter heranziehenden dunklen Wolken bleibt die Bedrohung durch die Natur präsent, aber im Abendrot auch die göttliche Verheißung.

Käthe Evers: „Altstadtmarkt im Winter“, 1914.
Käthe Evers: „Altstadtmarkt im Winter“, 1914. © städtisches Museum

Im 20. Jahrhundert wagt die Braunschweigerin Käthe Evers 1914 die impressionistische Auflösung des winterlichen Altstadtmarkts in kühne Farbtupfer aus frostigem Blau und Grau.

Der Braunschweiger Robert Naumann dagegen zeigt um 1945 in realistischer Manier sorglose Eishockeyspieler nebst springendem Hund auf den Riddagshäuser Flutwiesen. Allenfalls der Himmel meldet Dramatik mit Sonnendurchlässen. Wer noch mal Winter tanken will, gehe ins Museum.