Das Hildesheimer Roemer-Pelizaeus-Museum zeigt Fotos von Jochen Blume aus einer Zeit vor den Kämpfen und Zerstörungen der Taliban.

Der Name Afghanistan ist heute in der westlichen Bevölkerung präsenter als vor 50 Jahren. Für viele ist er zum Synonym der Heimstatt des Bösen geworden, islamistischer Taliban, die ihre eigene Bevölkerung unterdrücken und in der Welt Terror verbreiten. Schwer scheint es, in dieser von Stammesführern und Clanchefs geprägten politischen Landschaft ein demokratisches System und Frieden aufrechtzuerhalten.

Es kommt einem daher heute traumhaft vor, wenn Jochen Blume von einer Autoreise 1977 berichtet, die ihn, Bruder und Schwägerin, die Ethnologie studierten, über Türkei und Iran nach Afghanistan führte. In den 60ern sei das Land am Hindukusch wie Indien Ziel mancher Hippies gewesen. Die Weiten der Landschaft, die Zeugnisse vergangener Kulturen hätten es zum Traumland der Ethnologen gemacht.

1977 standen die 2001 gesprengten Buddha-Statuen in Bamiyan noch.
1977 standen die 2001 gesprengten Buddha-Statuen in Bamiyan noch. © Andreas Berger | Andreas Berger

Bis 1979 die Sowjets einmarschierten, danach die zunächst von den USA unterstützten Taliban ihren islamischen Staat ausbauten. Seither ist das Verschleierungsverbot der Frauen gefallen, Burka wieder üblich.

Blumes Schwarzweißaufnahmen von damals rufen die Schönheit von Land und Bauten, freundliche, aufgeschlossene Menschen und ein bei aller Armut friedliches Land in Erinnerung. In den Bergen von Bamiyan hat er noch die beiden Buddha-Statuen aufgenommen, die 2001 von den Taliban in die Luft gesprengt wurden. Sie stehen für die lange Phase chinesisch-indischen Einflusses ab dem 2. Jahrhundert nach Christus. Erst um das Jahr 1000 herum festigte sich die islamische Vorherrschaft, die von Persien aus Einfluss nahm.

Blume, Hobbyfotograf und Gold- und Silberschmied, hat die Statuen aus ungewöhnlichen Blickwinkeln aufgenommen. Er zeigt auch die Reste der antiken Palaststadt Laschkar-i-Bazar, natürlich islamische Heiligtümer und Moscheen in Mazar-i-Sharif und Balch.

Und viele Menschen, die als Handwerker und Händler auf oft stilvollen Basaren Brot, Schmuck oder Teppiche anbieten. „Ich habe sie nie gegen ihren Willen fotografiert“, betont Blume. Das sieht man, denn sie lächeln ihn an wie die Kaufleute, oder schauen vorsichtig interessiert wie die Kinder auf dem Dorf, die mit geschmückten Pferdetressen spielen.

Eine Pracht, was die Afghanen aus ihren Lastwagen machen. Die westlichen Gebrauchsmobile werden mit bunten Wänden und Aufbauten versehen; Girlanden, Bänder und Zierbögen, sogar Trotteln unterm Kühler geben den Autos Individualität und regionale Note.

Doch die von Regine Schulz konzipierte Schau verweilt nicht nur in Nostalgie. Blumes Fotos werden ergänzt von traditionellen Musikinstrumenten wie Doppelschnabelflöte und Kurzhalslaute, die seit der Taliban-Herrschaft in Afghanistan schweigen müssen.

Der als Jugendlicher aus Kabul geflüchtete Milad Esmati erzählt in einem Video von seinem neuen Leben in Hildesheim und vergleicht es mit der Heimat. Schmuck privater Leihgeber und Teppiche zeugen vom bis heute aktuellen Kunsthandwerk des Landes. Eine hübsche Idee: Auf Postkarten erklären Flüchtlinge aus Afghanistan Bedeutung und Wert der Motive.

Die Teppiche schlagen auch den Bogen zur Gegenwart. 1 bis 1,5 Millionen der 30 Millionen Afghanen sind noch heute in der Teppichherstellung beschäftigt. Blumes Fotos zeigen noch Nomaden, die draußen im Gelände an riesigen Webstühlen arbeiten.

Motiv des Graffitikünstlers Azim Fakhri.
Motiv des Graffitikünstlers Azim Fakhri. © Andreas Berger | Andreas Berger

Waren die Motive früher komplexe geometrische Ornamente und Schriftzeichen als Ausdruck des Göttlichen, wurden in der Zeit des Kampfes gegen die Sowjetbesetzung heldische Kampfszenen des Widerstands gewählt. Heute gibt es auch touristisch verwertbare Motive wie den Angriff auf die Twin Towers in New York und Szenen in comichaftem Stil.

In Projektionen werden die Graffiti von Azim Fakhri eingespielt, die im Stil des Streetart-Künstlers Banksy Schwarzweiß-Motive wie aus Zeitungsbildern zeigen, aber mit roten Herzen konfrontiert sind.

Da wirft der Hubschrauber, gegen den zwei Kämpfer anzurennen scheinen, am Seil ein dickes rotes Herz ab. Das ist plakativ, aber in einem so verwüsteten Land muss auch die Hoffnung dick aufgetragen werden.