Wolfsburg. Nach den vielen Änderungen ist Ruhe eingekehrt. Jetzt kann langfristig geplant werden.

Jede Jahreszeit hat in dieser Saison des VfL Wolfsburg eine große Veränderung hervorgebracht: Im Sommer ging die halbe Mannschaft, die sich nicht auf die Besonderheiten der VW-Stadt einlassen wollte. Im Herbst – genauer gesagt am 17. Oktober – war nach 165 Partien Schluss für Trainer Dieter Hecking. Und am 12. Dezember endete die Ära von Manager Klaus Allofs nach mehr als vier Jahren auf dem Regiestuhl der Wolfsburger.

Jetzt startet die Bundesliga ins Jahr 2017 – und der VfL muss sich wieder mal neu erfinden. Die ersten Schritte hat der Klub schon getan. Mit Valérien Ismaël und Olaf Rebbe führen relativ unbekannte, aber in jedem Fall unbelastete Kräfte die „Wölfe“. Und die beiden fleißigen Arbeiter haben nun die Zeit, ihr Team so zu strukturieren, dass es in der nächsten Spielzeit wieder die internationalen Plätze angreifen kann. Denn: In dieser Saison geht’s wohl um nichts.

Mit dem Abstieg wird der VfL nichts mehr zu tun haben. Dafür haben Rebbe und Ismaël in der Winterpause zu gut am Kader und an der Mannschaft gearbeitet. Und nach oben wird wegen der desaströsen Hinrunde auch nur noch dann etwas gehen, wenn das Team eine echte Serie hinlegt. Wohin führt die Reise des VfL? Als Mario Gomez im Trainingslager in La Manga danach gefragt wurde, wie er dem Rest der Saison entgegensieht, wusste auch der erfahrene Nationalspieler nicht so recht, was ihn und seinen VfL erwartet.

Die nächsten Monate dürfen die jungen Wolfsburger getrost als Vorbereitungsphase auf die neue Spielzeit betrachten – und die Weichen sind schon gestellt. Mit dem gleichermaßen überraschenden wie überragenden Transfer des Ex-Mainzers Yunus Malli hat der im Winter zum Sportdirektor beförderte Rebbe aufhorchen lassen und darf sich dafür durchaus auf die Schultern klopfen. Auch Außenstürmer Paul-Georges Ntep (24, von Rennes) dürfte die „Wölfe“ sofort weiterbringen. Die Transfers von Riechedly Bazoer (20, Amsterdam) und Victor Osimhen (18, Ultimate Strikers) sind eher perspektivisch zu betrachten. Dazu hat Rebbe den auslaufenden Vertrag von Robin Knoche verlängert, auch Paul Seguin wurde langfristig gebunden.

Klar ist: Von dem VfL, der die Saison im August mit dem Ziel „Rückkehr ins internationale Geschäft“ eröffnet hat, ist nicht mehr viel übrig. Hecking musste gehen, weil die Mannschaft ihm nicht mehr folgte. Die gleichen Spieler rebellierten Wochen später gegen Allofs und damit gegen denjenigen, der sie fast alle zum VfL geholt hatte.

Mit Allofs musste nicht nur ein mächtiger Macher gehen, sondern auch ein weltberühmtes VfL-Mitglied, das den Klub wie kein anderer repräsentierte.Er war eines der Gesichter des VfL – wenn nicht sogar DAS Gesicht. Diese Ausstrahlung, Präsenz und dieses Weltbürgerliche geht Rebbe ab. Der 38-Jährige war nie Profi, hat nie einen EM-Titel gewonnen, noch nicht vor tausenden Fernsehkameras gestanden. Aber: Das ist egal. Rebbe ist fleißig, unheimlich gut vernetzt – und er lernt schnell. Nur: Das neue Gesicht des VfL wird er voraussichtlich nicht werden. Auch, weil er selbst gar nicht darauf aus ist, im Mittelpunkt zu stehen.

Wer füllt das Allofs-Vakuum? Der Plan wurde in den Hinterzimmern des Klubs längst diskutiert: Marcel Schäfer soll’s machen. Der 32 Jahre alte Rekordspieler, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, kann dank der Ausbildung, die er nebenberuflich gemacht hat, fachlich einiges vorweisen. Zudem ist er dank der absoluten Identifikation mit dem Verein und der Stadt wie gemacht für den Job. Doch: Will er das auch? Eigentlich träumte er schon immer davon, nach der Karriere in Deutschland noch ins Ausland, am liebsten in die USA, zu gehen, um dort die Fußballschuhe langsam kaputt zu spielen. Das Gedankenspiel wird zeitnah konkretisiert.

Denn die große Frage beim VfL bleibt: Wofür soll der Klub künftig stehen? Die teuren Nationalspieler Max Kruse, André Schürrle und vor allem Julian Draxler, die nie warm wurden mit Wolfsburg, sind längst Geschichte. Die neuen Hoffnungsträger heißen Maximilian Arnold, Yannick Gerhardt, Paul Seguin, Jannes Horn, Yunus Malli, Josuha Guilavogui oder Jeffrey Bruma: Junge Spieler, die Bock darauf haben, sich unter den sehr guten infrastrukturellen Bedingungen in der VW-Stadt weiterzuentwickeln, die es nicht scheuen, das Leben einer Großstadt aufzugeben, um im biederen aber hemdsärmeligen Wolfsburg zu wachsen – und die nicht nur wegen der guten Zugverbindung nach Berlin hier sind.

Gehen die beiden Startpartien gegen Hamburg und Augsburg gut über die Bühne, kann der VfL in seiner aktuellen Zusammenstellung schon einmal langfristiger planen. Einen erneuten Umbruch würde der Klub wohl nicht verkraften. Doch, Vorsicht ist geboten: Denn mit dem Frühling naht schon wieder die nächste Jahreszeit...