Braunschweig. Tiktok und Instagram sind aus dem Alltag vieler Menschen nicht wegzudenken. Die beiden Graff-Geschäftsführer berichten über ihre Rolle im Buchhandel.

Selfies und tollpatschige Katzen: Das sind für viele Menschen die ersten Assoziationen, wenn es um soziale Netzwerke geht. Aber auch viele Unternehmen nutzen die sozialen Netzwerke – zum Beispiel die Braunschweiger Buchhandlung Graff. Die beiden Geschäftsführer, Joachim und Frederick Wrensch, erklären, wie Instagram und Tiktok den Buchhandel verändern.

So tritt Braunschweiger Buchhandlung Graff auf Tiktok auf.
So tritt Braunschweiger Buchhandlung Graff auf Tiktok auf. © Screenshot

Warum ist Ihre Buchhandlung in sozialen Netzwerken präsent und wie hat sich Ihr Auftritt dort entwickelt?

Frederick Wrensch: Tiktok haben wir tatsächlich ganz frisch. Instagram nutzen wir so richtig seit vier bis fünf Jahren. Erst haben wir es als Werbe- oder Darstellungsmedium betrachtet. Im Corona-Lockdown haben wir dann angefangen, die Plattform als Verkaufsmedium zu nutzen. Seitdem ist unser Instagram-Kanal, @buchhandlung.graff, von 2000 auf fast 25.000 Abonnenten gewachsen. Vor der Pandemie gingen dort gar keine Bestellungen ein. Durch den Lockdown und die damit verbundene Ladenschließung haben die Kunden angefangen, auch über Instagram zu bestellen – besonders wenn wir eine Story erstellen oder etwas posten. Inzwischen bestellen unsere Kunden dort vorwiegend signierte Bücher.

Haben Sie außer Postings in sozialen Netzwerken aktiv etwas getan, um Ihr Geschäft während des Lockdowns anzukurbeln?

Frederick Wrensch: Wir haben unsere Signieraktionen gestartet. Während die Läden geschlossen waren, wurden wir von einem Verlag angesprochen, ob wir eine Signieraktion mit persönlichen Widmungen organisieren können. Wir haben es probiert und tatsächlich hat es dann sehr gut funktioniert. Danach sind wir selber auf Verlage zugegangen und haben gefragt, ob sie und ihre Autorinnen und Autoren mitmachen würden.

Das Projekt ist immer größer geworden. Mittlerweile sind die Aktionen deshalb auch Hauptbestandteil unseres Instagramauftritts. Und für viele Abonnenten auch genau der Grund, aus dem sie uns folgen. Vor dem ersten Lockdown haben wir noch eher regionale Inhalte gepostet. Um das jetzt auch wieder zu tun, haben wir inzwischen mit @buchhandlung.graff38 einen Zweitkanal, wo wir Einblicke in unseren Buchhandelsalltag geben, weil das sonst auf dem großen Kanal bei der Vielzahl an Aktionen einfach auf der Strecke bleibt.

Sehen Sie außerhalb von Instagram eine ähnlich große Veränderung in Ihrer Kundschaft?

Joachim Wrensch: Im Laden vor Ort sicherlich nicht. Wir haben vom Kleinkind, das ein Bilderbuch bekommt und mit den Eltern oder Großeltern hier ist, bis hin zum Erwachsenen alle Altersgruppen dabei. Auch eine große Anzahl von Kundinnen und Kunden, die seit vielen, vielen Jahren immer wieder kommen. Allerdings verkaufen sich einzelne Warengruppen mal besser und mal schlechter, wir müssen uns immer an sich verändernde Marktsituationen anpassen. Unsere CD-Abteilung mussten wir beispielsweise zum Ende des Jahres 2021 leider aufgeben, weil sie nicht mehr wirtschaftlich war.

Frederick Wrensch: Mangas zum Beispiel sind dafür viel wichtiger geworden. Die Fans sind nicht die klassischen Buchhandelskäufer, sondern eine andere Kundengruppe, die jetzt neu hinzugekommen ist. In diesem Fall kommt das aber gar nicht durch unsere Aktionen, sondern dadurch, dass Mangas gerade einfach total angesagt sind.

Frederick (links) und Joachim Wrensch, die Geschäftsführer der Braunschweiger Buchhandlung Graff, ermöglichen einen Einblick hinter die Kulissen.
Frederick (links) und Joachim Wrensch, die Geschäftsführer der Braunschweiger Buchhandlung Graff, ermöglichen einen Einblick hinter die Kulissen. © Eve Bernhardt

Woher stammen Ihre Kunden?

Frederick Wrensch: Online hat sich durch die Signieraktionen das Einzugsgebiet unserer Kunden stark verändert. Nur der kleinste Teil davon kommt aus Braunschweig. Da bestellen Leute aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz bei uns. Tatsächlich hat sich unser Online-Umsatz seit dem Start der Aktionen fast verdoppelt. Das kompensiert das, was wir weniger im Laden einnehmen, seit dort die Kundschaft durch Corona und den Krieg weiter zurückgegangen ist. Der Trend zeichnet sich allerdings schon seit zehn Jahren ab. Außerdem findet gerade eine Umverteilung der Umsätze in Bezug auf verschiedene Genres statt. Bücher aus den Genres New Adult oder Fantasy verkaufen sich beispielsweise proportional stärker als früher.

Und vor Ort? Wie sehr beeinflussen soziale Netzwerke und das Internet den lokalen Buchhandel?

Frederick Wrensch: Sie machen ihn unvorhersehbarer, gerade Tiktok. Einige Bücher verkaufen sich plötzlich total gut, weil sie viel auf Tiktok zu sehen sind. Es entstehen Bestseller über diese neue Plattform. Das lässt sich gar nicht planen, aber das betrifft auch die Verlage. Manche Titel, die eigentlich nur in einer kleinen Auflage gedruckt wurden, müssen in viel höherer Auflage nachgedruckt werden, weil sie auf Tiktok so sehr abgehen.

In einem von der Verkaufsfläche abgetrennten Bereich signieren Autorinnen und Autoren ihre Bücher.
In einem von der Verkaufsfläche abgetrennten Bereich signieren Autorinnen und Autoren ihre Bücher. © Eve Bernhardt

Joachim Wrensch: Wir überlegen auch schon, wie man die Titel, die dort gut laufen, für unsere Ladenkundschaft präsentieren könnte. Eine Idee ist es, ein extra Regal für „Booktok“-Bücher einzurichten. Gerade schauen wir, wo und in welchem Rahmen wir so eine Sonderpräsentation platzieren können. Die Bücher sind natürlich jetzt schon präsent, aber sie stehen noch nicht zusammen.

Mit Blick in die Zukunft: Wie wird sich der Buchhandel entwickeln und wie wollen Sie da mithalten?

Frederick Wrensch: Unsere Einnahmen werden zwangsläufig mehr und mehr durch unseren Online-Shop kommen. Das hat sich die letzten Jahre angedeutet und das wird sicher auch so weiter gehen. Im Online-Buchhandel sehen wir also auch die Zukunft unseres Unternehmens oder zumindest ein sehr, sehr wichtiges Standbein, und das müssen wir natürlich auch noch weiter ausbauen. Da ist noch viel mehr möglich. Deshalb gestalten wir unsere Website auch gerade einmal komplett neu. Im Frühjahr geht sie dann hoffentlich online.

Joachim Wrensch: Die Buchhandlung vor Ort bleibt aber unser vorrangiger Absatzmarkt. Das Weihnachtsgeschäft hat wieder gezeigt, wie wichtig das Buch und das Lesen für viele Menschen in der Region sind. Ich bin froh, dass meine Tochter Maria Meibohm seit einem Jahr mit in der Firma arbeitet, die in zwei Jahren meinen Teil der Geschäftsführung übernehmen wird. Gemeinsam mit Frederick wird sie die Buchhandlung in eine gute Zukunft führen.